31980L0155

Richtlinie 80/155/EWG des Rates vom 21. Januar 1980 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten der Hebamme

Amtsblatt Nr. L 033 vom 11/02/1980 S. 0008 - 0012
Finnische Sonderausgabe: Kapitel 6 Band 2 S. 0051
Griechische Sonderausgabe: Kapitel 06 Band 2 S. 0081
Schwedische Sonderausgabe: Kapitel 6 Band 2 S. 0051
Spanische Sonderausgabe: Kapitel 06 Band 2 S. 0095
Portugiesische Sonderausgabe: Kapitel 06 Band 2 S. 0095


RICHTLINIE DES RATES vom 21. Januar 1980 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten der Hebamme (80/155/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 49, 57 und 66,

auf Vorschlag der Kommission (1),

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (2),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Nach Artikel 57 des Vertrages ist die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten der Hebamme zu verwirklichen. Aus Gründen der öffentlichen Gesundheit empfiehlt es sich, innerhalb der Gemeinschaft nach einer gemeinsamen Definition des Tätigkeitsbereichs der betreffenden Berufsangehörigen und ihrer Ausbildung zu streben ; es schien nicht wünschenswert, zu diesem Zweck ein einheitliches Programm für sämtliche Mitgliedstaaten vorzuschreiben. Im Gegenteil soll diesen die grösstmögliche Freiheit bei der Gestaltung ihres Unterrichts belassen werden. Die beste Lösung besteht somit darin, lediglich Mindestnormen festzulegen.

Die mit dieser Richtlinie angestrebte Koordinierung schließt eine weitere Koordinierung nicht aus.

Die meisten Mitgliedstaaten unterscheiden bisher nicht zwischen der Ausbildung von Hebammen im Angestelltenverhältnis und der Ausbildung von freiberuflich tätigen Hebammen. Es erscheint daher notwendig, die Anwendung dieser Richtlinie auf Hebammen im Angestelltenverhältnis auszudehnen -

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

(1) Die Mitgliedstaaten machen die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeiten der Hebamme unter den in Artikel 1 der Richtlinie 80/154/EWG (4) genannten Berufsbezeichnungen davon abhängig, daß die Hebamme Inhaber eines Diploms, eines Prüfungszeugnisses oder eines sonstigen Befähigungsnachweises gemäß Artikel 3 der genannten Richtlinie ist, das bzw. der garantiert, daß die Betreffende während der gesamten Dauer ihrer Ausbildung folgende Fähigkeiten erlangt hat: a) angemessene Kenntnisse der wissenschaftlichen Fachgebiete, die den Tätigkeiten der Hebamme zugrunde liegen, insbesondere der Geburtshilfe und der Gynäkologie;

b) angemessene Kenntnisse der Berufsethik und des Berufsrechtes;

c) vertiefte Kenntnisse der biologischen Funktion, der Anatomie und der Physiologie auf den Gebieten der Geburtshilfe und der perinatalen Medizin, sowie Kenntnisse von der Beziehung zwischen dem Gesundheitszustand und der physischen und sozialen Umgebung des Menschen und von seinem Verhalten;

d) angemessene klinische Erfahrung, die unter der Aufsicht von qualifiziertem Personal des Gebietes der Geburtshilfe und in anerkannten Einrichtungen erworben wird;

e) das erforderliche Verständnis für die Ausbildung des Personals des Gesundheitswesens und Erfahrung in der Zusammenarbeit mit diesem Personal.

(2) Die Ausbildung nach Absatz 1 umfasst: - entweder eine spezielle Ausbildung als Hebamme auf Vollzeitbasis, die theoretische und praktische Studien von mindestens drei Jahren umfasst ; die Zulassung hierzu setzt zumindest den Abschluß der ersten zehn Jahre der allgemeinen Schulausbildung voraus;

- oder eine spezielle Ausbildung als Hebamme von mindestens 18 Monaten auf Vollzeitbasis ; die Zulassung hierzu setzt den Besitz eines Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises der Krankenschwester und des Krankenpflegers im Sinne des Artikels 3 der Richtlinie 77/452/EWG (5), die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, voraus.

(3) Die in Absatz 2 erster Gedankenstrich genannte spezielle Ausbildung als Hebamme muß mindestens die Fächer des im Anhang enthaltenen Ausbildungsprogramms umfassen. (1)ABl. Nr. C 18 vom 12.2.1970, S. 1. (2)ABl. Nr. C 101 vom 4.8.1970, S. 26. (3)ABl. Nr. C 146 vom 11.12.1970, S. 17. (4)Siehe Seite 1 dieses Amtsblatts. (5)ABl. Nr. L 176 vom 15.7.1977, S. 1.

Die in Absatz 2 zweiter Gedankenstrich genannte Ausbildung muß mindestens die Fächer des im Anhang enthaltenen Ausbildungsprogramms, die nicht Gegenstand eines gleichwertigen Unterrichts im Rahmen der Ausbildung als Krankenschwester und Krankenpfleger waren, umfassen.

(4) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß die mit der Ausbildung der Hebammen betraute Einrichtung die Verantwortung dafür übernimmt, daß Theorie und Praxis für das gesamte Ausbildungsprogramm koordiniert werden.

Der in Teil A des Anhangs genannte theoretische und technische Unterricht muß der in Teil B dieses Anhangs genannten klinisch-praktischen Hebammenausbildung angemessen und mit ihr koordiniert sein, so daß die in Absatz 1 aufgeführten Kenntnisse und Erfahrungen in angemessener Weise erworben werden können.

Die klinisch-praktische Hebammenausbildung muß im Rahmen von Praktika in Krankenhausabteilungen oder in anderen Gesundheitsdiensten, die von den zuständigen Behörden oder Stellen zugelassen sind, unter Anleitung vermittelt werden. Im Rahmen dieser Ausbildung nehmen die Hebammenschülerinnen an den Tätigkeiten in den betreffenden Stellen in dem Masse teil, wie dies zu ihrer Ausbildung beiträgt. Sie werden in die Verantwortlichkeit des Hebammenberufs eingeführt.

Artikel 2

Nach regelmässiger Prüfung der Ergebnisse der verschiedenen in Artikel 1 Absatz 2 genannten Ausbildungsmöglichkeiten erstattet die Kommission dem Rat zum ersten Mal sechs Jahre nach Bekanntgabe dieser Richtlinie Bericht. Die genannte Prüfung erfolgt mit Unterstützung des Beratenden Ausschusses für die Ausbildung der Hebammen.

Die Kommission unterbreitet nach Maßgabe der Ergebnisse dieser Prüfung Änderungsvorschläge, die das Ziel haben, die im Rahmen der genannten Ausbildungsmöglichkeiten vorgesehenen Mindestkriterien den Bedingungen nach Artikel 2 Absatz 1 erster Gedankenstrich erster Untergedankenstrich und zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 80/154/EWG anzugleichen. Der Rat befindet unverzueglich über diese Vorschläge.

Artikel 3

Unbeschadet von Artikel 1 können die Mitgliedstaaten die Form der Teilzeitausbildung unter den von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden zugelassenen Bedingungen genehmigen.

Die Gesamtdauer der Teilzeitausbildung darf nicht kürzer sein als die der Vollzeitausbildung. Ihr Niveau darf nicht dadurch, daß sie auf Teilzeitbasis erfolgt, beeinträchtigt werden.

Artikel 4

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß Hebammen im Sinne dieser Richtlinie mindestens befugt sind, die folgenden Tätigkeiten und Aufgaben in eigener Verantwortung durchzuführen: 1. Angemessene Aufklärung und Beratung in Fragen der Familienplanung;

2. Feststellung der Schwangerschaft und Beobachtung der normal verlaufenden Schwangerschaft, Durchführung der zur Beobachtung des Verlaufs einer normalen Schwangerschaft notwendigen Untersuchungen;

3. Verschreibung der Untersuchungen, die für eine möglichst frühzeitige Feststellung einer Risikoschwangerschaft notwendig sind, oder Aufklärung über diese Untersuchungen;

4. Vorbereitung auf die Elternschaft, umfassende Vorbereitung auf die Niederkunft einschließlich Beratung in Fragen der Hygiene und Ernährung;

5. Betreuung der Gebärenden während der Geburt und Überwachung des Fötus in der Gebärmutter mit Hilfe geeigneter klinischer und technischer Mittel;

6. Durchführung von Normalgeburten bei Kopflage einschließlich - sofern erforderlich - des Scheidendammschnitts sowie im Dringlichkeitsfall von Steißgeburten;

7. Erkennen der Anzeichen von Anomalien bei der Mutter oder beim Kind, die das Eingreifen eines Arztes erforderlich machen, sowie Hilfeleistung bei etwaigen ärztlichen Maßnahmen ; Ergreifen der notwendigen Maßnahmen bei Abwesenheit des Arztes, insbesondere manuelle Ablösung der Plazenta, woran sich gegebenenfalls eine manuelle Nachuntersuchung der Gebärmutter anschließt;

8. Untersuchung und Pflege des Neugeborenen ; Einleitung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen in Notfällen und, wenn erforderlich, Durchführung der sofortigen Wiederbelebung des Neugeborenen;

9. Pflege der Wöchnerin, Überwachung des Zustandes der Mutter nach der Niederkunft und Erteilung zweckdienlicher Ratschläge für die bestmögliche Pflege des Neugeborenen;

10. Durchführung der vom Arzt verordneten Behandlung;

11. Abfassen der erforderlichen schriftlichen Berichte.

Artikel 5

Diese Richtlinie gilt auch für diejenigen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die nach der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (1) eine Tätigkeit im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 80/154/EWG im Angestelltenverhältnis ausüben oder ausüben werden. (1)ABl. Nr. L 257 vom 19.10.1968, S. 2.

Artikel 6

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um dieser Richtlinie binnen drei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen, und setzen die Kommission unverzueglich davon in Kenntnis.

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 7

Falls sich bei der Anwendung dieser Richtlinie für einen Mitgliedstaat grössere Schwierigkeiten auf bestimmten Gebieten ergeben sollten, prüft die Kommission diese Schwierigkeiten in Zusammenarbeit mit diesem Staat und holt die Stellungnahme des durch den Beschluß 75/365/EWG (1), zuletzt geändert durch den Beschluß 80/157/EWG (2), eingesetzten Ausschusses Hoher Beamter für das öffentliche Gesundheitswesen ein.

Die Kommission legt dem Rat gegebenenfalls geeignete Vorschläge vor.

Artikel 8

Spätestens sechs Jahre nach Bekanntgabe dieser Richtlinie beschließt der Rat auf Vorschlag der Kommission, ob die Anwendung der Ausnahme nach Teil B Nummer 3 des Anhangs geändert oder aufgehoben werden soll.

Artikel 9

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 21. Januar 1980.

Im Namen des Rates

Der Präsident

G. MARCORA (1)ABl. Nr. L 167 vom 30.6.1975, S. 19. (2)Siehe Seite 15 dieses Amtsblatts.

ANHANG

STUDIENPROGRAMM FÜR HEBAMMEN

Das Studienprogramm, das zu einem Diplom, Prüfungszeugnis oder sonstigen Befähigungsnachweis für Hebammen führt, umfasst die folgenden beiden Teile: A. THEORETISCHER UND PRAKTISCHER UNTERRICHT a) Allgemeine Fächer 1. Grundbegriffe der Anatomie und Physiologie

2. Grundbegriffe der Pathologie

3. Grundbegriffe der Bakteriologie, Virologie und Parasitologie

4. Grundbegriffe der Biophysik, Biochemie und Radiologie

5. Kinderheilkunde, insbesondere in bezug auf Neugeborene

6. Hygiene, Gesundheitserziehung, Gesundheitsvorsorge, Früherkennung von Krankheiten

7. Ernährung und Diätetik unter besonderer Berücksichtigung der Ernährung der Frau, des Neugeborenen und des Säuglings

8. Grundbegriffe der Soziologie und sozialmedizinische Fragen

9. Grundbegriffe der Arzneimittellehre

10. Psychologie

11. Pädagogik

12. Gesundheits- und Sozialrecht und Aufbau des Gesundheitswesens

13. Berufsethik und Berufsrecht

14. Sexualerziehung und Familienplanung

15. Gesetzlicher Schutz von Mutter und Kind

b) Spezifische Lehrfächer für Hebammen 1. Anatomie und Physiologie

2. Embryologie und Entwicklung des Fötus

3. Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett

4. Pathologie in der Gynäkologie und in der Geburtshilfe

5. Schwangerenberatung, Vorbereitung auf die Elternschaft einschließlich psychologischer Aspekte

6. Vorbereitung der Entbindung (einschließlich Kenntnisse von Geburtshilfeinstrumenten und ihrer Verwendung)

7. Analgesie, Anästhesie und Wiederbelebung

8. Physiologie und Pathologie des Neugeborenen

9. Betreuung und Pflege des Neugeborenen

10. Psychologische und soziale Faktoren

B. PRAKTISCHE UND KLINISCHE AUSBILDUNG

Folgende Ausbildung wird unter geeigneter Überwachung erteilt: 1. Beratung Schwangerer mit mindestens 100 Untersuchungen vor der Geburt

2. Überwachung und Pflege von mindestens 40 Gebärenden

3. Durchführung von mindestens 40 Entbindungen durch die Schülerin selbst ; kann diese Zahl nicht erreicht werden, da nicht genug Schwangere zur Verfügung stehen, so kann diese Zahl auf mindestens 30 gesenkt werden, sofern die Schülerin ausserdem an 20 Entbindungen teilnimmt

4. Aktive Teilnahme an einer oder zwei Steißgeburten

5. Durchführung der Episiotomie und Einführung in die Vernähung der Wunde

6. Überwachung und Pflege von 40 gefährdeten Schwangeren, Entbindenden und Wöchnerinnen

7. Untersuchung von mindestens 100 Wöchnerinnen und normalen Neugeborenen

8. Überwachung und Pflege von Wöchnerinnen und Neugeborenen, einschließlich von Frühgeborenen, Spätgeborenen sowie von Untergewicht aufweisenden und kranken Neugeborenen

9. Pflege pathologischer Fälle auf den Gebieten der Gynäkologie und Geburtshilfe, Krankheiten von Neugeborenen und Säuglingen

10. Einführung in die Pflege allgemeiner pathologischer Fälle in Medizin und Chirurgie.