13.3.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 94/19


Rechtsmittel, eingelegt am 30. November 2022 von der Portugiesischen Republik gegen das Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 21. September 2022 in der Rechtssache T-95/21, Portugal/Kommission

(Rechtssache C-736/22 P)

(2023/C 94/21)

Verfahrenssprache: Portugiesisch

Parteien

Rechtsmittelführerin: Portugiesische Republik (vertreten durch P. Barros da Costa, L. Borrego und A. Soares de Freitas als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte M. Gorjão-Henriques und A. Saavedra)

Andere Partei des Verfahrens: Europäische Kommission

Anträge

Die Rechtsmittelführerin beantragt,

das Urteil des Gerichts vom 21. September 2022, Portugiesische Republik/Kommission (T-95/21, EU:T:2022:567), aufzuheben, mit dem die Klage der Portugiesischen Republik auf Nichtigerklärung von Art. 1 sowie der Art. 4 und 6 des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 4. Dezember 2020 über die von Portugal durchgeführte Beihilferegelung SA.21259 (2018/C) (ex 2018/NN) zugunsten der Freizone Madeira (Zona Franca da Madeira, ZFM) — Regelung III (1) abgewiesen wurde;

der Europäischen Kommission die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, einschließlich der Kosten der Portugiesischen Republik und der Kosten, die im Zusammenhang mit dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (T-95/21 R) entstanden sind.

Rechtsmittelgründe und wesentliche Argumente

1.

Rechtsfehler, was die Anwendung von Art. 108 Abs. 1 AEUV und der Verordnung (EU) 2015/1589 (2) (Art. 1 Buchst. b Ziff. ii sowie Art. 21 bis 23) angehe, da es sich um bestehende Beihilfen und nicht um neue Beihilfen handele

Die Regelung III der ZFM stelle eine Regelung über bestehende Beihilfen (und nicht über neue Beihilfen) dar, die von der Kommission in ihren Beschlüssen von 2007 und 2013 genehmigt worden sei. Das Gericht begehe einen Rechtsfehler, indem es von der Kommission nicht verlange, die Regelung III der ZFM dem Überprüfungsverfahren für bestehende Beihilfen zu unterziehen, auf das sich Art. 108 Abs. 1 AEUV und die Art. 21 bis 23 des Beschlusses (EU) 2015/1589 bezögen.

2.

Rechtsfehler, da die Voraussetzung der Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer gelte, falsch ausgelegt worden sei und weil die für die ZFM geltende Regelung im Einklang mit den Beschlüssen der Kommission von 2007 und 2013 und den Art. 107 und 108 AEUV durchgeführt worden sei

Die Voraussetzung, dass die Gewinne aus Tätigkeiten stammten, die tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübt worden seien, sei nicht dahin auszulegen, dass lediglich die Mehrkosten der in der ZFM registrierten Unternehmen zu berücksichtigen seien, die damit zusammenhingen, dass sie sich in äußerster Randlage befänden, dass die Steuervergünstigungen nur für die Gewinne dieser Unternehmen gewährt werden könnten, die aus unmittelbar mit diesen Mehrkosten belasteten Umsätzen stammten, und dass Tätigkeiten ausgeschlossen seien, die außerhalb von Madeira von international tätigen Unternehmen ausgeübt würden, die in der ZFM zugelassen seien.

3.

Rechtsfehler wegen fehlender/unzureichender/widersprüchlicher Begründung — Fehlende Kohärenz zwischen den internationalen rechtlichen Voraussetzungen der OECD im Bereich der Steuern und der erfolgten Auslegung des Begriffs „tatsächlich und materiell in der Region [ausgeübte] Tätigkeiten“

Das Gericht begehe einen Fehler, indem es die Kohärenz zwischen den internationalen rechtlichen Voraussetzungen der OECD (und der EU) im Bereich der Steuern und der erfolgten Auslegung des Begriffs „tatsächlich und materiell in der Region [ausgeübte] Tätigkeiten“ im Kontext der Regelung über öffentliche Beihilfen nicht erkläre.

4.

Rechtsfehler bei der Auslegung der Voraussetzung „tatsächlich und materiell in der Region [ausgeübte] Tätigkeiten“ wegen fehlender Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, des Ausstrahlungseffekts (spillover effect) und der Grundfreiheiten

Das Gericht begehe einen Rechtsfehler, indem es die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ eines Unternehmens bei der Auslegung der „tatsächlich und materiell in der Region [ausgeübten] Tätigkeiten“ nicht berücksichtige. Es nehme eine fehlerhafte Auslegung der Unionsvorschriften vor, die den grundlegenden unionsrechtlichen Prinzipien, insbesondere der Niederlassungsfreiheit und dem freien Verkehr von Personen, Dienstleistungen und Kapital im Sinne von Art. 45 ff. AEUV, und der Entscheidungspraxis der Kommission zu öffentlichen Beihilfen für Regionen in äußerster Randlage zuwiderlaufe.

5.

Rechtsfehler wegen fehlender/unzureichender Begründung und/oder Verfälschung von Beweisen und/oder Ersetzung der Begründung der Entscheidung — Voraussetzung der Schaffung/Erhaltung von Arbeitsplätzen

Das Gericht habe zu Unrecht festgestellt, dass die Kommission von den portugiesischen Behörden nicht verlangt habe, auf die Methodik der „Vollzeitäquivalente“ (VZÄ) und der „Zahl der jährlichen Arbeitseinheiten“ (JAE) zurückzugreifen. Der angefochtene Beschluss und der vorangehende Beschluss über die Einleitung des Verfahrens widerlegten eindeutig diese Auslegung.

6.

Hilfsweise: Rechtsfehler wegen fehlerhafter Auslegung hinsichtlich der Voraussetzung der Schaffung/Erhaltung von Arbeitsplätzen und/oder widersprüchliche und/oder unzureichende Begründung

Was die Beurteilung der Voraussetzung der Regelung III der ZFM betreffend die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen angehe, werde im angefochtenen Beschluss rechtsfehlerhaft die Methodik der Bestimmung der Arbeitsplätze nach „JAE“ und „VZÄ“ angewendet, denn auf die Regelung der ZFM sei der Begriff des Arbeitsplatzes anwendbar, der sich aus den nationalen arbeitsrechtlichen Vorschriften ergebe.

7.

Rechtsfehler, da die nationalen Behörden der Kommission eine „Methode …, die es ermöglicht hätte, die Richtigkeit und Dauerhaftigkeit der … Arbeitsplätze zu überprüfen“, im Sinne der Regelung III mitgeteilt hätten

Das angefochtene Urteil sei rechtsfehlerhaft, da darin festgestellt worden sei, dass die Kommission lediglich ausgeführt habe, dass die nationalen Behörden keine Methode angewendet hätten, die es ermöglicht habe, die Richtigkeit und Dauerhaftigkeit der Arbeitsplätze der Begünstigten der Regelung III zu überprüfen; die Kommission sei nämlich lediglich deshalb zu dem Schluss gelangt, dass die Voraussetzung der Schaffung/Erhaltung von Arbeitsplätzen nicht erfüllt gewesen sei, weil sie die Begriffe JAE und VZÄ unkritisch angewendet habe.

8.

Rechtsfehler wegen Umkehr der Beweislast

Das Gericht kehre die Beweislast um, denn es habe der Kommission oblegen, zu beweisen, dass die portugiesischen Behörden nicht in der Lage gewesen seien, die Richtigkeit und Dauerhaftigkeit der gemeldeten Arbeitsplätze zu überprüfen. Es sei an der Kommission gewesen, die in der ZFM zugelassenen Unternehmen zu ermitteln, die angeblich missbräuchlich verwendete Zuschüsse erhalten hätten.

9.

Das angefochtene Urteil verletze Verteidigungsrechte und allgemeine Grundsätze des Unionsrechts

Das angefochtene Urteil verletze die Verteidigungsrechte der Portugiesischen Republik und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, wie die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemäßen Verwaltung.


(1)  Beschluss der Europäischen Kommission vom 4. Dezember 2020 über die von Portugal durchgeführte Beihilferegelung SA.21259 (2018/C) (ex 2018/NN) zugunsten der Freizone Madeira (Zona Franca da Madeira, ZFM) — Regelung III.

(2)  Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. 2015, L 248, S. 9).