20.6.2022 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 237/30 |
Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts München (Deutschland) eingereicht am 10. März 2022 — JU gegen Scalable Capital GmbH
(Rechtssache C-182/22)
(2022/C 237/40)
Verfahrenssprache: Deutsch
Vorlegendes Gericht
Amtsgericht München
Parteien des Ausgangsverfahrens
Kläger: JU
Beklagte: Scalable Capital GmbH
Vorlagefragen
1. |
Ist Art. 82 der Datenschutz-Grundverordnung (1) dahin auszulegen, dass dem Schadensersatzanspruch auch im Rahmen der Bemessung seiner Höhe kein Sanktionscharakter, insbesondere keine generelle oder spezielle Abschreckungsfunktion zukommt, sondern der Anspruch auf Schadensersatz nur eine Ausgleichs- und u. U. Genugtuungsfunktion hat? |
2.a |
Ist für die Bemessung des immateriellen Schadensersatzanspruchs als Verständnis davon auszugehen, dass der Schadensersatzanspruch auch eine individuelle Genugtuungsfunktion hat — hier verstanden als das im Privaten des Verletzten bleibende Interesse, das verursachende Verhalten geahndet zu sehen, oder kommt dem Schadensersatzanspruch nur eine Ausgleichsfunktion zu — hier verstanden als die Funktion, erlittene Beeinträchtigungen zu kompensieren? |
2.b.1. |
Wenn davon auszugehen ist, dass dem immateriellen Schadensersatzanspruch sowohl Ausgleichs- als auch Genugtuungsfunktion zukommt: Ist bei seiner Bemessung davon auszugehen, dass die Ausgleichsfunktion einen strukturellen oder zumindest als Regel-Ausnahmeverhältnis zu sehenden Vorrang vor der Genugtuungsfunktion hat? Führt dies dazu, dass eine Genugtuungsfunktion nur bei vorsätzlichen ober grob fahrlässigen Verletzungen in Betracht kommt? |
2.b.2. |
Wenn dem immateriellen Schadensersatzanspruch keine Genugtuungsfunktion zukommt: Führen bei seiner Bemessung nur vorsätzliche oder grob fahrlässige Datenschutzverletzungen als Beurteilung von Verursachungsbeiträgen zu zusätzlichem Gewicht? |
3. |
Ist für das Verständnis des immateriellen Schadensersatzes in seiner Bemessung von einem strukturellen Rangverhältnis oder zumindest Regel-Ausnahme-Rangverhältnis auszugehen, bei dem das von einer Datenverletzung ausgehende Beeinträchtigungserleben weniger Gewicht hat als das mit einer Körperverletzung verknüpfte Beeinträchtigungs- und Schmerzerleben? |
4. |
Steht einem nationalen Gericht offen, wenn von einem Schaden auszugehen ist, angesichts fehlender Schwere einen materiell nur im Geringfügigen bleibenden und damit u. U. von Verletztenseite oder allgemein nur als symbolisch empfundenen Schadensersatz zuzusprechen? |
5. |
Ist für das Verständnis des immateriellen Schadensersatzes in der Beurteilung seiner Folgen davon auszugehen, dass ein Identitätsdiebstahl im Sinne des 75. Erwägungsgrundes der Datenschutz-Grundverordnung erst dann vorliegt, wenn tatsächlich ein Straftäter die Identität des Betroffenen angenommen hat, sich also in irgendeiner Form als der Betroffene ausgegeben hat, oder liegt schon im Umstand, dass inzwischen Straftäter über Daten verfügen, die den Betroffenen identifizierbar machen, ein solcher Identitätsdiebstahl? |
(1) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1).