Rechtssache C‑568/08

Combinatie Spijker Infrabouw-De Jonge Konstruktie u. a.

gegen

Provincie Drenthe

(Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Assen)

„Öffentliche Aufträge – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Bauaufträge – Richtlinie 89/665/EWG – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein Nachprüfungsverfahren vorzusehen – Nationale Rechtsvorschriften, wonach der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags billigen darf, die später vom Gericht der Hauptsache für unvereinbar mit dem Unionsrecht befunden werden kann – Vereinbarkeit mit der Richtlinie – Gewährung von Schadensersatz an die geschädigten Bieter – Voraussetzungen“

Leitsätze des Urteils

1.        Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen – Offensichtlich unerhebliche Fragen und hypothetische Fragen, die in einem eine zweckdienliche Antwort ausschließenden Zusammenhang gestellt werden – Fragen, die in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen

(Art. 234 EG)

2.        Rechtsangleichung – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge – Richtlinie 89/665 – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein Nachprüfungsverfahren vorzusehen – Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes

(Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates; Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung, Art. 1 Abs. 1 und 3 sowie 2 Abs. 1 und 6)

3.        Rechtsangleichung – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge – Richtlinie 89/665 – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein Nachprüfungsverfahren vorzusehen – Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes

(Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates; Richtlinie 89/665 des Rates in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung)

4.        Unionsrecht – Dem Einzelnen verliehene Rechte – Verletzung durch einen Mitgliedstaat – Pflicht zum Ersatz des dem Einzelnen entstandenen Schadens

1.        Der Gerichtshof kann nicht über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage befinden, wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Vorschrift des Unionsrechts, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

(vgl. Randnr. 43)

2.        Es liegt kein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 und 3 und Art. 2 Abs. 1 und 6 der Richtlinie 89/665 zur Koordinierung der Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer‑ und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung vor, wenn zur Erlangung einer raschen gerichtlichen Entscheidung nur ein Verfahren zur Verfügung steht, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es den Erlass einer schnellen Ordnungsmaßnahme ermöglichen soll, es keinen Schriftsatzwechsel zwischen Anwälten gibt, in der Regel nur schriftliche Beweise erhoben werden, die gesetzlichen Beweisregeln nicht zur Anwendung kommen und das Urteil nicht zu einer endgültigen Festlegung der Rechtsverhältnisse führt und auch nicht Teil eines Entscheidungsfindungsprozesses ist, der zu einer solchen rechtskräftigen Entscheidung führt.

Wie im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665 erläutert wird, erfordert die Kürze der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge eine dringliche Behandlung von Verstößen gegen die Vorschriften des Unionsrechts.

Im Hinblick auf diesen Zweck belässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten ein Ermessen hinsichtlich der Wahl der in ihr vorgesehenen Verfahrensgarantien und der zugehörigen Formalitäten.

(vgl. Randnrn. 51, 57, 59, 65, Tenor 1)

3.        Die Richtlinie 89/665 zur Koordinierung der Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer‑ und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass es mit ihr vereinbar ist, wenn der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für den Erlass einer vorläufigen Maßnahme eine Auslegung der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge vornimmt, die anschließend vom Gericht der Hauptsache für falsch befunden wird.

Zum einen hat der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Entscheidung im Rahmen eines Eilverfahrens zu erlassen, in dem sowohl die Sammlung der Beweise als auch die Prüfung der von den Parteien vorgebrachten Gründe weniger eingehend sind als im Rahmen des Hauptsacheverfahrens. Zum anderen bezweckt der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit seinem Tätigwerden im Gegensatz zum Gericht der Hauptsache nicht, endgültig zwischen den Forderungen zu entscheiden, mit den er befasst wird, sondern vorläufig die beteiligten Interessen zu schützen, gegebenenfalls durch deren Abwägung.

(vgl. Randnrn. 77, 80, Tenor 2)

4.        In Bezug auf die Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, hat der geschädigte Einzelne einen Entschädigungsanspruch, wenn die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an den Einzelnen bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist es in Ermangelung einschlägiger Unionsvorschriften Sache jedes Mitgliedstaats, in seiner internen Rechtsordnung die Kriterien zu bestimmen, auf deren Grundlage der Schaden aufgrund eines Verstoßes gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens festzustellen und zu bemessen ist, sofern der Äquivalenz‑ und der Effektivitätsgrundsatz beachtet werden.

(vgl. Randnr. 92, Tenor 3)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

9. Dezember 2010(*)

„Öffentliche Aufträge – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Bauaufträge – Richtlinie 89/665/EWG – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein Nachprüfungsverfahren vorzusehen – Nationale Rechtsvorschriften, wonach der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags billigen darf, die später vom Gericht der Hauptsache für unvereinbar mit dem Unionsrecht befunden werden kann – Vereinbarkeit mit der Richtlinie – Gewährung von Schadensersatz an die geschädigten Bieter – Voraussetzungen“

In der Rechtssache C‑568/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Rechtbank Assen (Niederlande) mit Entscheidung vom 17. Dezember 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Dezember 2008, in dem Verfahren

Combinatie Spijker Infrabouw-De Jonge Konstruktie,

Van Spijker Infrabouw BV,

De Jonge Konstruktie BV

gegen

Provincie Drenthe

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Combinatie Spijker Infrabouw-De Jonge Konstruktie, Van Spijker Infrabouw BV und De Jonge Konstruktie BV, vertreten durch H. Hoogwout, advocaat,

–        der Provincie Drenthe, vertreten durch M. Mutsaers und A. Hoekstra‑Borzymowska, advocaten,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und Y. de Vries als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Konstantinidis und S. Noë als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. September 2010

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und 3 und Art. 2 Abs. 1 und 6 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer‑ und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 (ABl. L 209, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Combinatie Spijker Infrabouw‑De Jonge Konstruktie, der Van Spijker Infrabouw BV und der De Jonge Konstruktie BV (im Folgenden: Combinatie u. a.) einerseits und der Provincie Drenthe (Provinz Drenthe, im Folgenden: Provinz) andererseits über die Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665 heißt es:

„Angesichts der Kürze der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge müssen die für die Nachprüfung zuständigen Stellen vor allem befugt sein, vorläufige Maßnahmen zu treffen, um das Vergabeverfahren oder die Durchführung etwaiger Beschlüsse der Vergabebehörde auszusetzen. Die Kürze der Vergabeverfahren macht eine dringliche Behandlung der genannten Verstöße notwendig.“

4        Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinien 71/305/EWG, 77/62/EWG und 92/50/EWG fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der nachstehenden Artikel, insbesondere von Artikel 2 Absatz 7, auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.

(3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jedem zur Verfügung steht, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Liefer‑ oder Bauauftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Die Mitgliedstaaten können insbesondere verlangen, dass derjenige, der ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber zuvor von dem behaupteten Rechtsverstoß und von der beabsichtigten Nachprüfung unterrichten muss.“

5        Art. 2 Abs. 1 bis 6 der Richtlinie 89/665 hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden,

a)      damit so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören Maßnahmen, um das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen oder Maßnahmen der Durchführung jeder sonstigen Entscheidung der öffentlichen Auftraggeber;

b)      damit die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann;

c)      damit denjenigen, die durch den Rechtsverstoß geschädigt worden sind, Schadensersatz zuerkannt werden kann.

(2)      Die in Absatz 1 genannten Befugnisse können getrennt mehreren Instanzen übertragen werden, die für das Nachprüfungsverfahren unter verschiedenen Gesichtspunkten zuständig sind.

(3)      Die Nachprüfungsverfahren haben als solche nicht notwendigerweise einen automatischen Suspensiveffekt auf die betreffenden Vergabeverfahren.

(4)      Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die zuständige Instanz bei Prüfung der Frage, ob vorläufige Maßnahmen zu ergreifen sind, deren voraussehbare Folgen für alle möglicherweise geschädigten Interessen sowie das Interesse der Allgemeinheit berücksichtigen kann, und dass sie beschließen kann, diese Maßnahmen nicht zu ergreifen, wenn deren nachteilige Folgen die damit verbundenen Vorteile überwiegen könnten. Die Ablehnung der vorläufigen Maßnahmen beeinträchtigt nicht die sonstigen Rechte des Antragstellers.

(5)      Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass bei Schadensersatzansprüchen, die auf die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung gestützt werden, diese zunächst von einer mit den dafür erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Stelle aufgehoben worden sein muss.

(6)      Die Wirkungen der Ausübung der in Absatz 1 genannten Befugnisse auf den nach Zuschlagserteilung geschlossenen Vertrag richten sich nach dem einzelstaatlichen Recht.

Abgesehen von dem Fall, in dem eine Entscheidung vor Zuerkennung von Schadenersatz aufgehoben werden muss, kann ein Mitgliedstaat ferner vorsehen, dass nach dem Vertragsschluss im Anschluss an die Zuschlagserteilung die Befugnisse der Nachprüfungsinstanz darauf beschränkt werden, einer durch einen Rechtsverstoß geschädigten Person Schadenersatz zuzuerkennen.“

6        Nach Art. 36 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54) bzw. Art. 33 der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1) werden die Richtlinien 71/305/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 185, S. 5) und 77/62/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 13, S. 1) aufgehoben.

7        Gemäß Art. 82 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) werden die Richtlinie 92/50, mit Ausnahme ihres Art. 41, sowie die Richtlinien 93/36 und 93/37 aufgehoben. Bezugnahmen auf alle diese Richtlinien gelten nunmehr als Bezugnahmen auf die Richtlinie 2004/18.

8        Nach Art. 7 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 2083/2005 der Kommission vom 19. Dezember 2005 (ABl. L 333, S. 28) geänderten Fassung galt diese Richtlinie vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2007 für öffentliche Bauaufträge, deren geschätzter Wert netto ohne Mehrwertsteuer 5 278 000 Euro erreichte oder überschritt.

9        Art. 9 Abs. 5 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG bestimmt:

„Kann ein Bauvorhaben oder die beabsichtigte Beschaffung von Dienstleistungen zu Aufträgen führen, die gleichzeitig in Losen vergeben werden, so ist der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose zugrunde zu legen.

…“

 Nationales Recht

10      Zu dem im Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt hatte das Königreich der Niederlande keine spezifischen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 89/665 in nationales Recht erlassen, da die niederländischen Rechtsvorschriften seiner Ansicht nach den Anforderungen der Richtlinie bereits genügten.

11      Aus der Akte geht hervor, dass sich die Vergabe öffentlicher Aufträge nach dem Privatrecht richtet, die Erteilung des Zuschlags für einen öffentlichen Auftrag ein privatrechtlicher Akt ist und die der Zuschlagserteilung vorausgehenden Entscheidungen der Verwaltungsorgane als vorbereitende Privatrechtsakte angesehen werden. Sowohl in Bezug auf den Erlass vorläufiger Maßnahmen als auch hinsichtlich der Hauptsache ist für Streitigkeiten im Bereich des öffentlichen Auftragswesens das Zivilgericht zuständig. Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ist ausgeschlossen, sofern nicht ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12      Der Vorlageentscheidung zufolge beschloss die Provinz die Renovierung von zwei Zugbrücken am Erica-Ter-Apel-Kanal in der Gemeinde Emmen (Niederlande). Diese Verbindung soll von großer internationaler Bedeutung sein. Für dieses Projekt soll eine Beihilfe der Europäischen Union unter der Bedingung genehmigt worden sein, dass das Vorhaben innerhalb einer bestimmten Frist abgeschlossen wird. Diese Frist lief am 1. Juli 2008 ab.

13      Der Auftrag zur Renovierung der Zugbrücken war Gegenstand einer öffentlichen Ausschreibung auf europäischer Ebene. Die Bekanntmachung der Ausschreibung vom 13. Juli 2007 wurde im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

14      An die Bieter wurden gewisse Bedingungen u. a. hinsichtlich der fachlichen Befähigung, der Unbescholtenheit und der Zahlungsfähigkeit gestellt. Ebenso wurden an die Angebote selbst Bedingungen gestellt, u. a. in Bezug auf die beizufügenden Nachweise. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis.

15      Die Bekanntmachung der Ausschreibung wurde durch Bekanntmachung vom 23. Juli 2007 geändert.

16      Die Angebote mussten vor dem 19. September 2007 abgegeben werden und wurden an diesem Tag geöffnet, worüber von der Provinz nach Abschluss des Vorgangs ein Protokoll aufgenommen wurde. Darin ist u. a. vermerkt, dass es vier Bieter gab und dass das niedrigste Angebot in Höhe von 1 117 200 Euro von der Maschinefabriek Emmen BV (im Folgenden: MFE) kam, während das Angebot von Combinatie in Höhe von 1 123 400 Euro an zweiter Stelle lag.

17      Mit Schreiben vom 2. Oktober 2007 setzte die Provinz Combinatie von ihrer Absicht in Kenntnis, den Auftrag an MFE zu vergeben, weil das Angebot von MFE das niedrigste sei. Eine weitere Begründung wurde nicht gegeben.

18      Mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 teilte Combinatie mit, dass sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sei, da ernsthafte Zweifel daran bestünden, dass MFE die Zuschlagskriterien erfülle. Infolge dieses Schreibens kam es zu einem Telefongespräch mit den Dienststellen der Provinz, in dessen Verlauf die Frage erörtert wurde, ob ein übernehmendes Unternehmen die Referenzen des vorigen Unternehmens für sich in Anspruch nehmen dürfe.

19      Am 18. Oktober 2007 leitete Combinatie gegen die Provinz ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei dem hierfür zuständigen Richter der Rechtbank Assen ein und beantragte, festzustellen, dass MFE ein ungültiges Angebot abgegeben und Combinatie den niedrigsten Preis angeboten hat, und anzuordnen, dass die Provinz, wenn sie zur Vergabe des Auftrags übergeht, den Zuschlag Combinatie erteilt.

20      Mit Schreiben vom 1. November 2007 teilte die Provinz allen Bietern mit, dass sie entschieden habe, die Ausschreibung zurückzunehmen, da sich bei der Prüfung des Vergabeverfahrens durch ihre Dienststellen herausgestellt habe, dass dieses mit derartig wesentlichen Mängeln behaftet sei, dass es nicht fortgesetzt werden könne. Die schwerwiegendsten Mängel bestehen nach diesem Schreiben in Folgendem: Erstens seien die Anforderung betreffend die Erfahrung von 60 % auf 50 % des Werts des betreffenden Auftrags zurückgeschraubt und die Anforderung betreffend den Umsatz von 150 % auf 125 % dieses Werts gesenkt worden. Zweitens sei der Referenzzeitraum für die Anforderung betreffend den Umsatz von drei auf fünf Jahre verlängert worden. Drittens sei die Anforderung betreffend die Erfahrung in dem Sinn geändert worden, dass sie mit der ursprünglichen Anforderung nicht mehr vollständig übereinstimme. Viertens schließlich seien diese Änderungen auf der Website www.aanbestedingskalender.nl mitgeteilt worden und nicht auf der Website, auf der die Ausschreibung veröffentlicht worden sei, nämlich www.ted.europa.eu. In dem betreffenden Schreiben hieß es ferner, dass geprüft werde, ob der Auftrag neu ausgeschrieben werden solle.

21      Combinatie sah in dem Schreiben vom 1. November 2007 keinen Anlass, ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzunehmen. Sie änderte jedoch ihre Anträge.

22      Am 9. November 2007 trat MFE auf Anraten der Provinz dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei und beantragte, ihr im Wege der einstweiligen Verfügung den Zuschlag zu erteilen.

23      Mit Urteil vom 28. November 2007 entschied der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Rechtbank Assen, dass MFE mit Hilfe der im Vergabeverfahren eingereichten und in der mündlichen Verhandlung kommentierten Unterlagen überzeugend dargelegt habe, dass die Arbeiten, die in der Vergangenheit von Machinefabriek Hidding BV – aus der im Laufe des Jahres 2005 Synmet Engineering & Production BV wurde – ausgeführt worden seien, an sie vergeben werden könnten. Außerdem stellt der Richter fest, dass MFE die von der Provinz in der Ausschreibung aufgestellten Bedingungen erfülle und rechtzeitig die erforderlichen Auskünfte erteilt habe, dass die Unterschrift unter der durch den Vertreter von MFE eingereichten Mustererklärung K als ausreichend anzusehen sei und dass MFE das preisgünstigste Angebot eingereicht habe.

24      Der Richter stellte fest, dass sich die Provinz beim Aufstellen der Anforderungen betreffend Umsatz und Erfahrung nicht konsistent verhalten habe und inhaltliche Änderungen an der Ausschreibung vorgenommen worden seien. Die Änderungen seien jedoch in einem frühen Stadium des Vergabeverfahrens vorgenommen worden, es habe sich nicht herausgestellt, dass diese Änderungen erfolgt seien, um einen der Bieter zu bevorzugen, und Dritte hätten nach den Änderungen des Vorhabens kein Angebot abgegeben. Unter diesen Umständen seien die Änderungen nicht so schwerwiegend, dass auf eine unzureichende Transparenz der Ausschreibung geschlossen werden könne.

25      Der Richter war der Ansicht, dass es der Provinz in diesem Stadium des Vergabeverfahrens nach dem Gleichheits‑ und dem Vertrauensgrundsatz und nach Treu und Glauben in der vorvertraglichen Phase nicht mehr freistehe, infolge einer zweiten Ausschreibung denselben Bauauftrag an ein anderes Unternehmen zu vergeben als dasjenige, das die bei der ersten Ausschreibung aufgestellten Bedingungen erfülle.

26      Folglich untersagte der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Provinz, den Auftrag an ein anderes Unternehmen als MFE zu vergeben, und erklärte diese Entscheidung für vorläufig vollsteckbar.

27      Am 3. Dezember 2007 vergab die Provinz den Auftrag an MFE.

28      Am 11. Dezember 2007 legte Combinatie beim Gerechtshof Leeuwarden ein Inzidentrechtsmittel ein und beantragte die Aussetzung des Urteils des Richters im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom 28. November 2007.

29      Mit Zwischenurteil vom 30. Januar 2008 wies der Gerechtshof Leeuwaarden diesen Antrag zurück, weil MFE ein schutzwürdiges Interesse an der Durchführung des Urteils des Richters im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes habe.

30      Der Gerechtshof Leeuwarden stellte fest, dass die in der Zwischenzeit zwischen der Provinz und MFE geschlossene Vereinbarung als gültig zustande gekommen betrachtet werden müsse und die bloße Feststellung von Mängeln im Vergabeverfahren diese Gültigkeit, außer in besonderen Fällen, nicht angreifbar mache. Der Combinatie bleibe, falls eine Verletzung des Vergaberechts festgestellt werde, nur eine Schadensersatzforderung.

31      Am 19. Dezember 2007 legte die Combinatie ein weiteres Rechtsmittel gegen das Urteil des Richters im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein, um dessen Aufhebung und die Vergabe des Auftrags an sie zu erreichen. Nachdem sie vom Zwischenurteil des Gerechtshof Leeuwaarden vom 30. Januar 2008 Kenntnis erhalten hatte, nahm sie dieses Rechtsmittel zurück und beschloss, die Provinz bei der Rechtbank Assen auf Schadensersatz zu verklagen. Diese Klage wurde am 29. Februar 2008 eingereicht.

32      Im Rahmen dieser Klage hält die Rechtbank Assen den Beschluss der Provinz vom 1. November 2007, die Vergabeentscheidung vom 2. Oktober 2007 zurückzunehmen und eine Neuausschreibung vorzunehmen, für die einzige richtige Anwendung des Vergaberechts. Die Provinz habe weder die Anforderung betreffend die Erfahrung von 60 % auf 50 % und die Anforderung an den Umsatz von 150 % auf 125 % verringern noch den Referenzzeitraum für die Umsatzanforderung von drei auf fünf Jahre verlängern dürfen und hätte die betreffenden Änderungen der Ausschreibung auf der Website, auf der die Ausschreibung veröffentlicht worden sei, bekannt geben müssen. Aus diesen Gründen werde die Rechtbank ein Endurteil erlassen, das an die Stelle des Urteils des Richters im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes treten werde. Da der Auftrag bereits vergeben und die Arbeiten bereits begonnen und vielleicht sogar schon ausgeführt worden seien, bleibe für Combinatie nur noch eine eventuelle Entschädigung.

33      Die Rechtbank Assen sieht sich vor die Frage gestellt, ob die rechtswidrige Handlung in Anbetracht der Umstände und der gesetzlichen Struktur des Rechtsschutzes, in deren Zusammenhang sie erfolgt sei, der Provinz anzulasten sei. Die von der Provinz genannten schwerwiegenden gesellschaftlichen Interessen und das Urteil des Richters im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sowie die Wahl des Rechtsschutzsystems durch den niederländischen Gesetzgeber könnten ein Rechtfertigungsgrund sein.

34      Unter diesen Umständen hat die Rechtbank Assen das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      a)     Sind die Art. 1 Abs. 1 und 3 und 2 Abs. 1 und 6 der Richtlinie 89/665/EWG so auszulegen, dass diese Bestimmungen nicht eingehalten werden, wenn der durch das nationale Gericht zu gewährende Rechtsschutz in europarechtlichen Vergabestreitigkeiten dadurch erschwert wird, dass es in einem System, in dem sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Zivilgericht für dieselbe Entscheidung und deren Folgen zuständig sein können, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommen kann?

b)      Ist es in diesem Zusammenhang zulässig, dass der Verwaltungsrichter darauf beschränkt ist, über die Vergabeentscheidung zu befinden und zu entscheiden, und wenn ja, warum und/oder unter welchen Voraussetzungen?

c)      Ist es in diesem Zusammenhang zulässig, dass das Allgemeine Verwaltungsrechtsgesetz, das allgemein den Zugang zum Verwaltungsgericht regelt, diese Klage ausschließt, wenn es um Entscheidungen über den Abschluss eines Vertrags durch die ausschreibende Behörde mit einem der Bieter geht, und wenn ja, warum und/oder unter welchen Voraussetzungen?

d)      Ist die Antwort auf Frage 2 in diesem Zusammenhang von Bedeutung?

2.      a)     Sind die Art. 1 Abs. 1 und 3 und 2 Abs. 1 und 6 der Richtlinie 89/665 so auszulegen, dass diese Bestimmungen nicht eingehalten werden, wenn zur Erlangung einer raschen Entscheidung nur ein Verfahren zur Verfügung steht, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es grundsätzlich den Erlass einer schnellen Ordnungsmaßnahme ermöglichen soll, es keinen Schriftsatzwechsel zwischen Anwälten gibt, in der Regel nur schriftliche Beweise erhoben werden und die gesetzlichen Beweisregeln nicht zur Anwendung kommen?

b)      Falls dies verneint wird, gilt das auch, wenn das Urteil nicht zu einer endgültigen Festlegung der Rechtsverhältnisse führt und auch nicht Teil eines Entscheidungsfindungsprozesses ist, der zu einer solchen rechtskräftigen Entscheidung führt?

c)      Macht es dabei einen Unterschied, wenn das Urteil nur die Prozessparteien bindet, obwohl es noch andere Betroffene geben kann?

3.      Ist es mit der Richtlinie 89/665 vereinbar, dass ein Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der ausschreibenden Behörde aufgibt, eine Vergabeentscheidung zu treffen, die später in einem Hauptsacheverfahren als mit den europarechtlichen Vergabebestimmungen unvereinbar angesehen wird?

4.      a)     Wenn diese Frage verneint wird, muss die ausschreibende Behörde dafür als verantwortlich angesehen werden und wenn ja, in welchem Sinn?

b)      Gilt das auch, wenn die Frage bejaht wird?

c)      Wenn diese Behörde Schadensersatz leisten müsste, gibt das Gemeinschaftsrecht Maßstäbe vor, anhand deren der Schaden festzustellen und zu bemessen ist, und wenn ja, welche Maßstäbe sind das?

d)      Wenn die ausschreibende Behörde nicht als verantwortlich angesehen werden kann, kann dann nach dem Gemeinschaftsrecht eine andere Person festgestellt werden, die verantwortlich ist, und was ist dafür die Grundlage?

5.      Wenn es sich nach dem nationalem Recht und/oder anhand der Antworten auf die vorstehenden Fragen als praktisch unmöglich oder übermäßig schwer erweist, eine Haftung durchzusetzen, was muss das nationale Gericht dann tun?

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkung

35      Gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 gilt die Richtlinie 89/665 für Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 71/305 fallen, die durch die Richtlinie 93/37 ersetzt wurde, die ihrerseits durch die Richtlinie 2004/18 ersetzt wurde.

36      Nach dem Wortlaut ihres Art. 7 Buchst. c galt die Richtlinie 2004/18 sowohl zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung der Ausschreibung als auch zum Zeitpunkt der Vergabe des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags für öffentliche Bauaufträge, deren geschätzter Wert netto ohne Mehrwertsteuer 5 278 000 Euro erreichte oder überschritt.

37      Der Vorlageentscheidung zufolge belief sich der Wert des Angebots, das in dem dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Verfahren ausgewählt wurde, auf 1 117 200 Euro inklusive Mehrwertsteuer.

38      Daher stellt sich die Frage, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18 fällt.

39      Der Gerichtshof hat das vorlegende Gericht am 8. Dezember 2009 gemäß Art. 104 § 5 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs um Klarstellung ersucht und das Gericht zu diesem Zweck aufgefordert, den geschätzten Wert des im Ausgangsverfahren streitigen Auftrags genau anzugeben und insbesondere zu erläutern, ob dieser Auftrag zu einem Bauvorhaben im Sinne von Art. 9 Abs. 5 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 gehört, so dass der geschätzte Gesamtwert des betreffenden Vorhabens zugrunde zu legen wäre.

40      Mit Schreiben vom 28. Januar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Februar 2010, hat das vorlegende Gericht erklärt, dass sich der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag auf Arbeiten beziehe, die zu einem umfangreicheren Vorhaben gehörten, und zwar der Erneuerung der schiffbaren Verbindung Erica‑Ter Apel, dessen Wert auf 6 100 000 Euro geschätzt werde.

41      Dieser Antwort kann entnommen werden, dass der im Ausgangsverfahren streitige Auftrag zu einem Bauvorhaben im Sinne von Art. 9 Abs. 5 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 gehört, dessen Gesamtwert den Schwellenwert für ihre Anwendung übersteigt. Der betreffende Auftrag fällt also in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie und folglich den der Richtlinie 89/665.

 Zur ersten Frage

42      Nach ständiger Rechtsprechung ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. u. a. Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman, C‑415/93, Slg. 1995, I‑4921, Randnr. 59, und vom 2. April 2009, Elshani, C‑459/07, Slg. 2009, I‑2759, Randnr. 40).

43      Ungeachtet dessen kann der Gerichtshof jedoch nicht über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage befinden, wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Vorschrift des Unionsrechts, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urteile Bosman, Randnr. 61, und Elshani, Randnr. 41).

44      Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, beruht die erste Frage auf der Prämisse, dass nach dem nationalen Recht sowohl die Verwaltungsgerichte als auch die Zivilgerichte für dieselbe Entscheidung im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags zuständig sein können, was zum Erlass einander widersprechender Gerichtsentscheidungen führen könnte.

45      Den Erklärungen, die die niederländische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beim Gerichtshof abgegeben haben, ist jedoch zu entnehmen, dass im niederländischen Recht die Zivilgerichte grundsätzlich über die ausschließliche Zuständigkeit für Streitigkeiten im Bereich des öffentlichen Auftragswesens verfügen. Danach sind die Verwaltungsgerichte hierfür zuständig, wenn ein besonderes Gesetz es vorsieht. In diesem Fall seien sie ausschließlich zuständig. Im niederländischen Recht sei ausgeschlossen, dass ein Verwaltungsgericht und ein Zivilgericht gleichzeitig für denselben Vergaberechtsstreit zuständig seien.

46      Der Gerichtshof kann im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens zwar nicht über innerstaatliche Rechts‑ oder Verwaltungsvorschriften entscheiden (vgl. Urteile vom 13. Oktober 1976, Saieva, 32/76, Slg. 1976, 1523, Randnr. 7, vom 9. Oktober 1984, Heineken Brouwerijen, 91/83 und 127/83, Slg. 1984, 3435, Randnr. 10, und vom 20. Oktober 1993, Phil Collins u. a., C‑92/92 und C‑326/92, Slg. 1993, I‑5145, Randnr. 13).

47      Im Ausgangsrechtsstreit besteht aber unstreitig keinerlei Gefahr einander widersprechender Entscheidungen aufgrund des Tätigwerdens eines Verwaltungsgerichts, da sämtliche Verfahren vor den Zivilgerichten stattfanden.

48      Nach den Informationen, über die der Gerichtshof verfügt, steht die Auslegung des Unionsrechts, um die in der ersten Frage ersucht wird, daher in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits.

49      Folglich ist die erste Frage als unzulässig anzusehen.

 Zur zweiten Frage

50      Mit seiner Frage 2 a) möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Verstoß gegen die Richtlinie 89/665 vorliegt, wenn zur Erlangung einer raschen Entscheidung nur ein Verfahren zur Verfügung steht, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es den Erlass einer schnellen Ordnungsmaßnahme ermöglichen soll, es keinen Schriftsatzwechsel zwischen Anwälten gibt, in der Regel nur schriftliche Beweise erhoben werden und die gesetzlichen Beweisregeln nicht zur Anwendung kommen.

51      Wie im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665 erläutert wird, erfordert die Kürze der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge eine dringliche Behandlung von Verstößen gegen die Vorschriften des Unionsrechts.

52      Zu diesem Zweck gibt Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie den Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass Entscheidungen wirksam und vor allem möglichst rasch auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft werden können.

53      Insbesondere verpflichtet Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Befugnisse vorzusehen, „damit so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern“.

54      Aus Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie, wonach die in Abs. 1 genannten Befugnisse getrennt mehreren Instanzen übertragen werden können, die für das Nachprüfungsverfahren unter verschiedenen Gesichtspunkten zuständig sind, folgt u. a., dass die Mitgliedstaaten die Befugnis, im Wege der einstweiligen Verfügung Maßnahmen zu ergreifen, und die Befugnis, Schadensersatz zu gewähren, getrennten Instanzen übertragen können.

55      Nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie haben die Nachprüfungsverfahren als solche nicht notwendigerweise einen automatischen Suspensiveffekt auf die betreffenden Vergabeverfahren. Daraus ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorsehen dürfen, dass Maßnahmen mit Suspensiveffekt gegebenenfalls in anderen Verfahren beantragt werden können als denen, die sich in der Hauptsache mit den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge befassen.

56      Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie, dem zufolge die Ablehnung der vorläufigen Maßnahmen nicht die sonstigen Rechte des Antragstellers beeinträchtigt, lässt ebenfalls die Möglichkeit eines von dem auf den Erlass vorläufiger Maßnahmen gerichteten Verfahren getrennten Hauptsacheverfahrens zu.

57      Demnach belässt die Richtlinie 89/665 den Mitgliedstaaten ein Ermessen hinsichtlich der Wahl der in ihr vorgesehenen Verfahrensgarantien und der zugehörigen Formalitäten.

58      Da die Merkmale des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aus dem Wesen von Verfahren folgen, die auf den schnellstmöglichen Erlass vorläufiger Maßnahmen gerichtet sind, sind sie als solche mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/665 vereinbar.

59      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass kein Verstoß gegen die Richtlinie 89/665 vorliegt, wenn zur Erlangung einer raschen Entscheidung nur ein Verfahren zur Verfügung steht, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es den Erlass einer schnellen Ordnungsmaßnahme ermöglichen soll, es keinen Schriftsatzwechsel zwischen Anwälten gibt, in der Regel nur schriftliche Beweise erhoben werden und die gesetzlichen Beweisregeln nicht zur Anwendung kommen.

60      Mit seiner Frage 2 b) möchte das vorlegende Gericht wissen, ob dieser Befund auch gilt, wenn das Urteil des Richters im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zur endgültigen Festlegung der Rechtsverhältnisse führt und auch nicht Teil eines Entscheidungsfindungsprozesses ist, der zu einer solchen rechtskräftigen Entscheidung führt.

61      Es liegt in ihrer Natur, dass eine vorläufige Maßnahme nicht zur endgültigen Festlegung der Rechtsverhältnisse führt. Außerdem ergeben sich die Wirkungen des Entscheidungsprozesses, in den diese Maßnahme eingebettet ist, aus der internen Rechtsordnung des betroffenen Staates. Folglich steht die Richtlinie 89/665 dem Erlass einer solchen Maßnahme nicht entgegen.

62      Mit seiner Frage 2 c) möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es einen Unterschied macht, wenn das Urteil nur die Prozessparteien bindet, obwohl es noch andere Betroffene geben kann.

63      Dieser Teil der Frage betrifft einen Fall, der im Ausgangsrechtsstreit nicht vorliegt. Denn im Rahmen dieses Rechtsstreits war das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht auf die Klägerin und die Beklagte, d. h. Combinatie und die Provinz, begrenzt. Vielmehr konnte ein betroffener Dritter, nämlich MFE, dem Rechtsstreit zur Verteidigung seiner Interessen – übrigens mit Erfolg – beitreten.

64      Somit ist dieser Teil der Frage nicht zu beantworten.

65      Aufgrund dieser Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass kein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 und 3 und Art. 2 Abs. 1 und 6 der Richtlinie 89/665 vorliegt, wenn zur Erlangung einer raschen gerichtlichen Entscheidung nur ein Verfahren zur Verfügung steht, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es den Erlass einer schnellen Ordnungsmaßnahme ermöglichen soll, es keinen Schriftsatzwechsel zwischen Anwälten gibt, in der Regel nur schriftliche Beweise erhoben werden, die gesetzlichen Beweisregeln nicht zur Anwendung kommen und das Urteil nicht zu einer endgültigen Festlegung der Rechtsverhältnisse führt und auch nicht Teil eines Entscheidungsfindungsprozesses ist, der zu einer solchen rechtskräftigen Entscheidung führt.

 Zur dritten Frage

66      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass es mit ihr vereinbar ist, wenn ein Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der ausschreibenden Behörde aufgibt, eine Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu treffen, die später in einem Hauptsacheverfahren als mit der Richtlinie 2004/18 unvereinbar angesehen wird.

67      Wie in Randnr. 42 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist es Sache des nationalen Gerichts, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen.

68      Die dritte Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts beruht auf der Prämisse, dass im Ausgangsverfahren der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der ausschreibenden Behörde aufgegeben hat, den in Rede stehenden Auftrag an MFE zu vergeben.

69      Nach den Feststellungen in der Vorlageentscheidung trifft diese Prämisse nicht zu. Wie das vorlegende Gericht feststellt, hat der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Provinz untersagt, den Auftrag an ein anderes Unternehmen als MFE zu vergeben. Der Akte ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Provinz verpflichtet hätte, den Auftrag an MFE zu vergeben.

70      Hierzu haben in Beantwortung einer Frage des Gerichtshofs Combinatie, die niederländische Regierung und die Kommission geltend gemacht, dass die Provinz in mehrfacher Weise anders auf das Urteil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hätte reagieren können als mit der Vergabe des im Ausgangsverfahren streitigen Auftrags an MFE.

71      Aus den Antworten, die der Gerichtshof erhalten hat, ergibt sich ferner, dass es der Provinz möglich gewesen wäre, auf die Vergabe des Auftrags zu verzichten, ein im Hauptsacheverfahren erkennendes Gericht anzurufen, ein Rechtsmittel gegen das Urteil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom 28. November 2007 einzulegen oder auch vor der Auftragsvergabe abzuwarten, ob Combinatie ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil einlegt.

72      Was diese vierte Möglichkeit betrifft, geht aus der Akte hervor, dass Combinatie in der Tat am 11. Dezember 2007 einen Rechtsbehelf gegen das Urteil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einlegte, die Provinz den Auftrag jedoch am 3. Dezember 2007 an MFE vergeben hatte.

73      Folglich liegt der Fall, dass ein Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der ausschreibenden Behörde aufgibt, eine Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu treffen, im Ausgangsrechtsstreit nicht vor.

74      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist es deshalb erforderlich, die dritte Frage umzuformulieren. Tatsächlich möchte das nationale Gericht mit dieser Frage wissen, ob die Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass es mit ihr vereinbar ist, wenn der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für den Erlass einer vorläufigen Maßnahme eine Auslegung der Richtlinie 2004/18 vornimmt, die anschließend vom Gericht der Hauptsache für falsch befunden wird.

75      Wie in den Randnrn. 52 bis 54 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verpflichtet die Richtlinie 89/665 die Mitgliedstaaten, Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen, mit denen vorläufiger Rechtsschutz gegen Entscheidungen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht oder die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, erlangt werden kann.

76      Nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 89/665 können über solche Rechtsbehelfe andere Stellen befinden als diejenigen, die für die Klagen im Hauptsacheverfahren, wie z. B. Schadensersatzklagen, zuständig sind.

77      Angesichts der Möglichkeit, ein solches System vorzusehen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und das Gericht der Hauptsache, die berufen sind, sich nacheinander mit demselben Rechtsstreit zu befassen, voneinander abweichende Auslegungen der anwendbaren Regelungen des Unionsrechts vertreten. Zum einen hat der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Entscheidung im Rahmen eines Eilverfahrens zu erlassen, in dem sowohl die Sammlung der Beweise als auch die Prüfung der von den Parteien vorgebrachten Gründe weniger eingehend sind als im Rahmen des Hauptsacheverfahrens. Zum anderen bezweckt der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit seinem Tätigwerden im Gegensatz zum Gericht der Hauptsache nicht, endgültig zwischen den Forderungen zu entscheiden, mit den er befasst wird, sondern vorläufig die beteiligten Interessen zu schützen, gegebenenfalls durch deren Abwägung.

78      Der Unionsgesetzgeber hat die besondere Natur der Aufgabe des Richters im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und 4 der Richtlinie 89/665 anerkannt, indem er insbesondere die Vorläufigkeit der von diesem Richter ergriffenen Maßnahmen unterstrichen hat.

79      Es ist untrennbar mit dem in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsschutzsystem verbunden, dass sich der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für eine andere Auslegung des Unionsrechts und insbesondere der Richtlinie 2004/18 entscheiden kann als das Gericht der Hauptsache. Ein solcher Unterschied in der Bewertung bedeutet nicht, dass ein Rechtsschutzsystem wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht den Anforderungen der Richtlinie 89/665 genügt.

80      Folglich ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass es mit ihr vereinbar ist, wenn der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für den Erlass einer vorläufigen Maßnahme eine Auslegung der Richtlinie 2004/18 vornimmt, die anschließend vom Gericht der Hauptsache für falsch befunden wird.

 Zur vierten Frage

81      Mit seinen Fragen 4 a) und 4 b) möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine ausschreibende Behörde als verantwortlich angesehen werden muss, wenn sie infolge einer entsprechenden Anordnung des Richters im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags getroffen hat und diese Entscheidung später in einem Hauptsacheverfahren für unvereinbar mit den Regelungen des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens erklärt worden ist.

82      Diese Fragen gehen von dem Fall aus, dass im Ausgangsrechtsstreits der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der ausschreibenden Behörde aufgegeben hat, den in Rede stehenden Auftrag an einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer zu vergeben.

83      Wie jedoch in den Randnrn. 69 bis 73 des vorliegenden Urteils ausgeführt, liegt dieser Fall im Ausgangsrechtsstreit nicht vor.

84      Daher ist auf die Fragen 4 a) und 4 b) nicht zu antworten.

85      Mit seiner Frage 4 c) möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob in dem Fall, dass die ausschreibende Behörde Ersatz für den Schaden leisten muss, der sich aus einem Verstoß gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens ergibt, das Unionsrecht Maßstäbe vorgibt, anhand deren der Schaden festzustellen und zu bemessen ist, und, wenn ja, welche Maßstäbe das sind.

86      Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/665 schreibt eindeutig vor, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vorsehen müssen, im Fall eines Verstoßes gegen die Regelungen des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens Schadensersatz zuzuerkennen, erläutert aber weder, unter welchen Voraussetzungen eine ausschreibende Behörde haftbar gemacht werden kann, noch, wie die Höhe des Schadensersatzes zu ermitteln ist, zu dessen Zahlung sie verurteilt werden kann.

87      Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Konkretisierung des Grundsatzes der Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen. Nach einer nach dem Erlass der Richtlinie 89/665 entwickelten, aber seitdem ständigen Rechtsprechung folgt dieser Grundsatz aus dem Wesen der Unionsrechtsordnung. Der Gerichtshof hat entschieden, dass ein geschädigter Einzelner einen Entschädigungsanspruch hat, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt die Verleihung von Rechten an den Einzelnen, der Verstoß gegen diese Norm ist hinreichend qualifiziert, und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a., C‑6/90 und C‑9/90, Slg. 1991, I‑5357, Randnr. 35, vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame, C‑46/93 und C‑48/93, Slg. 1996, I‑1029, Randnrn. 31 und 51, und vom 24. März 2009, Danske Slagterier, C‑445/06, Slg. 2009, I‑2119, Randnrn. 19 und 20).

88      Bisher hat die Rechtsprechung des Gerichtshofs für Rechtsbehelfe im Bereich des öffentlichen Auftragswesens keine genaueren Kriterien benannt, auf deren Grundlage der Schaden festzustellen und zu bemessen ist.

89      Hinsichtlich der Gesetzgebung der Union ist festzustellen, dass die Richtlinie 89/665 durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG (ABl. L 335, S. 31), die erlassen wurde, nachdem sich der dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt zugetragen hatte, erheblich geändert worden ist. Der Unionsgesetzgeber hat jedoch bei dieser Gelegenheit insoweit keine Bestimmungen erlassen.

90      In Ermangelung einschlägiger Unionsvorschriften ist es Sache jedes Mitgliedstaats, in seiner internen Rechtsordnung die Kriterien zu bestimmen, auf deren Grundlage der Schaden aufgrund eines Verstoßes gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens festzustellen und zu bemessen ist (vgl. entsprechend Urteile vom 19. Juni 2003, GAT, C‑315/01, Slg. 2003, I‑6351, Randnr. 46, und vom 30. September 2010, Strabag u. a, C‑314/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 33), sofern der Äquivalenz‑ und der Effektivitätsgrundsatz beachtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C‑295/04 bis C‑298/04, Slg. 2006, I‑6619, Randnr. 98).

91      Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Verfahrensmodalitäten von Rechtsbehelfen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende Rechtsbehelfe, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. u. a. Urteile vom 16. Dezember 1976, Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral, 33/76, Slg. 1976, 1989, Randnr. 5, vom 13. März 2007, Unibet, C‑432/05, Slg. 2007, I‑2271, Randnr. 43, vom 15. April 2008, Impact, C‑268/06, Slg. 2008, I‑2483, Randnr. 46, und vom 8. Juli 2010, Bulicke, C‑246/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 25).

92      Folglich ist auf Frage 4 c) zu antworten, dass in Bezug auf die Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, der geschädigte Einzelne einen Entschädigungsanspruch hat, wenn die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an den Einzelnen bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist es in Ermangelung einschlägiger Unionsvorschriften Sache jedes Mitgliedstaats, in seiner internen Rechtsordnung die Kriterien zu bestimmen, auf deren Grundlage der Schaden aufgrund eines Verstoßes gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens festzustellen und zu bemessen ist, sofern der Äquivalenz‑ und der Effektivitätsgrundsatz beachtet werden.

93      In Anbetracht dieser Antwort ist die Frage 4 d) nicht zu beantworten.

 Zur fünften Frage

94      Mit der fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, was das nationale Gericht tun muss, wenn es sich als praktisch unmöglich oder übermäßig schwierig erweist, eine Haftung durchzusetzen.

95      Unter Berücksichtigung der Antworten auf die vorausgehenden Fragen und nach der Verfahrensakte deutet nichts darauf hin, dass dies im Ausgangsverfahren der Fall wäre.

96      Daher erübrigt sich eine Antwort auf diese Frage.

 Kosten

97      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Es liegt kein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 und 3 und Art. 2 Abs. 1 und 6 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer‑ und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 geänderten Fassung vor, wenn zur Erlangung einer raschen gerichtlichen Entscheidung nur ein Verfahren zur Verfügung steht, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es den Erlass einer schnellen Ordnungsmaßnahme ermöglichen soll, es keinen Schriftsatzwechsel zwischen Anwälten gibt, in der Regel nur schriftliche Beweise erhoben werden, die gesetzlichen Beweisregeln nicht zur Anwendung kommen und das Urteil nicht zu einer endgültigen Festlegung der Rechtsverhältnisse führt und auch nicht Teil eines Entscheidungsfindungsprozesses ist, der zu einer solchen rechtskräftigen Entscheidung führt.

2.      Die Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass es mit ihr vereinbar ist, wenn der Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für den Erlass einer vorläufigen Maßnahme eine Auslegung der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge vornimmt, die anschließend vom Gericht der Hauptsache für falsch befunden wird.

3.      In Bezug auf die Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, hat der geschädigte Einzelne einen Entschädigungsanspruch, wenn die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an den Einzelnen bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist es in Ermangelung einschlägiger Unionsvorschriften Sache jedes Mitgliedstaats, in seiner internen Rechtsordnung die Kriterien zu bestimmen, auf deren Grundlage der Schaden aufgrund eines Verstoßes gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens festzustellen und zu bemessen ist, sofern der Äquivalenz‑ und der Effektivitätsgrundsatz beachtet werden.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.