Rechtssache C‑138/08

Hochtief AG

und

Linde-Kca-Dresden GmbH

gegen

Közbeszerzések Tanácsa Közbeszerzési Döntőbizottság

(Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Ítélőtábla)

„Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge – Nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 2004/18/EG und vor Ablauf der Frist für ihre Umsetzung eingeleitete Verfahren – Verhandlungsverfahren mit Veröffentlichung einer Bekanntmachung – Verpflichtung, eine Mindestanzahl geeigneter Bewerber zuzulassen – Verpflichtung, einen echten Wettbewerb zu gewährleisten“

Leitsätze des Urteils

1.        Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 2004/18

(Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates)

2.        Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge – Richtlinie 93/37 – Verhandlungsverfahren nach Veröffentlichung einer Bekanntmachung

(Richtlinie 93/37, Art. 22 Abs. 3)

3.        Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge – Richtlinie 93/37 – Verhandlungsverfahren nach Veröffentlichung einer Bekanntmachung

(Richtlinie 93/37 des Rates, Art. 7 Abs. 2 und 22 Abs. 2 Unterabs. 2 und Abs. 3)

1.        Die Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge kann nicht auf eine Entscheidung angewandt werden, die ein öffentlicher Auftraggeber bei der Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags vor Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie getroffen hat.

Bei einem Verfahren zur Auftragsvergabe, das bei Ablauf der Umsetzungsfrist noch nicht abgeschlossen ist, würde es insoweit gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, das anwendbare Recht anhand des Datums der Auftragsvergabe zu bestimmen, während die Entscheidung, durch die gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen worden sein soll, vor diesem Datum getroffen wurde.

(vgl. Randnrn. 29-30, Tenor 1)

2.        Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 93/37 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge in der durch die Richtlinie 97/52 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber dann, wenn ein Auftrag im Verhandlungsverfahren vergeben wird und die Zahl der geeigneten Bewerber die für das betreffende Verfahren festgelegte Mindestgrenze nicht erreicht, das Verfahren gleichwohl fortsetzen kann, indem er den oder die geeigneten Bewerber zur Verhandlung über die Auftragsbedingungen auffordert.

(vgl. Randnr. 44, Tenor 2)

3.        Die Richtlinie 93/37 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge in der durch die Richtlinie 97/52 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung, einen echten Wettbewerb zu gewährleisten, erfüllt ist, wenn der öffentliche Auftraggeber unter den in Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Bedingungen auf das Verhandlungsverfahren zurückgreift.

Was die Phase der Verhandlungen über den Auftrag angeht, verpflichtet Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 93/37 den öffentlichen Auftraggeber dazu, eine hinreichende Anzahl von Bewerbern zur Teilnahme an dieser Phase aufzufordern. Die Frage, ob diese Anzahl ausreicht, um einen echten Wettbewerb zu gewährleisten, ist anhand der Merkmale und des Gegenstands des betreffenden Auftrags zu prüfen.

Erreicht in einem solchen Verfahren die Zahl der geeigneten Bewerber nicht die für das betreffende Verfahren festgelegte Mindestgrenze, die nach der Richtlinie 93/37 nicht unter drei liegen darf, ist davon auszugehen, dass der öffentliche Auftraggeber, sofern die wirtschaftlichen und technischen Anforderungen für dieses Verfahren ordnungsgemäß festgelegt und gehandhabt wurden, gleichwohl einen echten Wettbewerb gewährleistet hat.

(vgl. Randnrn. 52-54, Tenor 3)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

15. Oktober 2009(*)

„Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge – Nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 2004/18/EG und vor Ablauf der Frist für ihre Umsetzung eingeleitete Verfahren – Verhandlungsverfahren mit Veröffentlichung einer Bekanntmachung – Verpflichtung, eine Mindestanzahl geeigneter Bewerber zuzulassen – Verpflichtung, einen echten Wettbewerb zu gewährleisten“

In der Rechtssache C‑138/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Fővárosi Ítélőtábla (Ungarn) mit Entscheidung vom 13. Februar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2008, in dem Verfahren

Hochtief AG,

Linde-Kca-Dresden GmbH

gegen

Közbeszerzések Tanácsa Közbeszerzési Döntőbizottság,

Beteiligte:

Budapest Főváros Önkormányzata,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis und T. von Danwitz,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Hochtief AG und der Linde-Kca-Dresden GmbH, vertreten durch A. László und E. Kiss, ügyvédek,

–        der Budapest Főváros Önkormányzata, vertreten durch J. Molnár und G. Birkás, ügyvédek,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas, R. Somssich, K. Borvölgyi und K. Mocsári-Gál als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch I. Bruni als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Kukovec, A. Sipos, B. Simon und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54) in der durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 (ABl. L 328, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 93/37) sowie die Frage, in welchem rechtlichen Verhältnis diese Richtlinie und die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) übergangsweise zueinander standen.

2        Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Hochtief AG und der Linde-Kca-Dresden GmbH auf der einen und der Közbeszerzések Tanácsa Közbeszerzési Döntőbizottság (Schiedsstelle des Rates für die Vergabe öffentlicher Aufträge, im Folgenden: KTKD) auf der anderen Seite über ein Verhandlungsverfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags mit Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3        Art. 1 der Richtlinie 93/37 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie

g)      sind Verhandlungsverfahren diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen die öffentlichen Auftraggeber ausgewählte Unternehmen ansprechen und mit einem oder mehreren dieser Unternehmen über die Auftragsbedingungen verhandeln;

h)      wird der Unternehmer, der ein Angebot eingereicht hat, als Bieter und derjenige, der sich um eine Aufforderung zur Teilnahme an einem nicht offenen Verfahren oder einem Verhandlungsverfahren beworben hat, als Bewerber bezeichnet.“

4        Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 93/37 lautet:

„Die öffentlichen Auftraggeber können in den folgenden Fällen im Verhandlungsverfahren Bauaufträge vergeben, vorausgesetzt, dass sie eine Vergabebekanntmachung veröffentlicht und die Bewerber nach bekannten Eignungskriterien ausgewählt haben:

a)      wenn nach Durchführung eines offenen oder nicht offenen Verfahrens keine ordnungsgemäßen Angebote oder nur Angebote abgegeben worden sind, die nach den innerstaatlichen, mit Abschnitt IV zu vereinbarenden Vorschriften unannehmbar sind, sofern die ursprünglichen Auftragsbedingungen nicht grundlegend geändert werden. Die öffentlichen Auftraggeber veröffentlichen in diesen Fällen keine Vergabebekanntmachung, wenn sie in das betreffende Verhandlungsverfahren alle Unternehmen einbeziehen, die die Kriterien der Artikel 24 bis 29 erfüllen und im Verlauf des vorangegangenen offenen oder nicht offenen Verfahrens Angebote unterbreitet haben, die den formalen Voraussetzungen für das Vergabeverfahren entsprechen;

b)      wenn die betreffenden Bauvorhaben nur zu Forschungs-, Versuchs- oder Entwicklungszwecken und nicht mit dem Ziel der Gewährleistung der Rentabilität oder der Deckung der Forschungs- und Entwicklungskosten durchgeführt werden;

c)      in Ausnahmefällen, wenn es sich um Arbeiten handelt, die ihrer Natur nach oder wegen der damit verbundenen Risiken eine vorherige globale Preisgestaltung nicht zulassen.“

5        Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 93/37 sieht vor:

„Der Zuschlag des Auftrags erfolgt aufgrund der in Kapitel 3 dieses Abschnitts vorgesehenen Kriterien unter Berücksichtigung des Artikels 19, nachdem die öffentlichen Auftraggeber die fachliche Eignung der Unternehmer, die nicht aufgrund von Artikel 24 ausgeschlossen wurden, nach den in den Artikeln 26 bis 29 genannten Kriterien der wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit geprüft haben.“

6        Art. 22 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Bei den nicht offenen Verfahren und den Verhandlungsverfahren wählen die öffentlichen Auftraggeber anhand der erteilten Auskünfte über die Lage des Unternehmers sowie anhand der Auskünfte und Formalitäten, die zur Beurteilung der vom Unternehmer zu erfüllenden wirtschaftlichen und technischen Mindestanforderungen erforderlich sind, unter den Bewerbern, die die in den Artikeln 24 bis 29 vorgesehenen Anforderungen erfüllen, diejenigen aus, die sie zur Angebotsabgabe oder zu Verhandlungen auffordern.

(2)      Vergeben die öffentlichen Auftraggeber einen Auftrag im nicht offenen Verfahren, so können sie die Marge bestimmen, innerhalb deren die Zahl der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen liegen wird. In einem solchen Fall wird die Marge in der Bekanntmachung angegeben. Die Marge wird nach der Art des auszuführenden Bauwerks bestimmt. Die niedrigste Zahl der Marge darf nicht unter fünf liegen. Die höchste Zahl der Marge kann auf 20 festgelegt werden.

Auf jeden Fall muss die Zahl der Bewerber, die zum Bieten zugelassen werden, ausreichen, um einen echten Wettbewerb zu gewährleisten.

(3)      Vergeben öffentliche Auftraggeber in den Fällen des Artikels 7 Absatz 2 einen Auftrag im Verhandlungsverfahren, so darf bei einer hinreichenden Anzahl geeigneter Bewerber die Zahl der zur Verhandlung zugelassenen Bewerber nicht unter drei liegen.

(4)      Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die öffentlichen Auftraggeber die Unternehmer der anderen Mitgliedstaaten, die die gestellten Anforderungen erfüllen, ohne Diskriminierung und unter den gleichen Bedingungen hinzuziehen wie Inländer.“

7        In Art. 80 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens am 31. Januar 2006 nachzukommen. Sie unterrichten die Kommission unverzüglich davon.

…“

8        Art. 82 („Aufhebungen“) dieser Richtlinie lautet:

„Die Richtlinie 92/50/EWG, mit Ausnahme ihres Artikels 41, und die Richtlinien 93/36/EWG und 93/37… werden unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Umsetzungs- und Anwendungsfristen in Anhang XI mit Wirkung ab dem in Artikel 80 genannten Datum aufgehoben.

Bezugnahmen auf die aufgehobenen Richtlinien gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang XII zu lesen.“

9        Die Richtlinie 2004/18 trat am 30. April 2004 in Kraft.

 Nationales Recht

10      Die Richtlinie 93/37 wurde durch das a közbeszerzésekről szóló 2003 évi CXXIX. törvény, Magyar Közlöny 2003/157 (Gesetz Nr. CXXIX von 2003 über die Vergabe öffentlicher Aufträge, im Folgenden: Kbt) in ungarisches Recht umgesetzt.

11      § 130 Abs. 1, 2 und 7 Kbt, der für Verhandlungsverfahren mit Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung gilt, bestimmt:

„(1)      Der öffentliche Auftraggeber kann im Verhandlungsverfahren, das mit der Veröffentlichung einer Bekanntmachung eröffnet wurde, die Anzahl oder Marge der Bieter so festlegen, dass er höchstens einer dieser Anzahl oder der der Obergrenze dieser Marge entsprechenden Zahl von geeigneten Bewerbern mit einer gültigen Bewerbung die Aufforderung zur Angebotsabgabe schickt.

(2)      Die Anzahl bzw. die Untergrenze der Marge darf nicht unter drei liegen. Die Anzahl bzw. die Marge ist dem Gegenstand der öffentlichen Auftragsvergabe anzupassen, wobei unter allen Umständen ein echter Wettbewerb gewährleistet sein muss.

(7)      Der öffentliche Auftraggeber fordert die der festgelegten Anzahl oder Marge entsprechend – aufgrund der finanziellen und wirtschaftlichen sowie technischen bzw. fachlichen Eignung – ausgewählten Bewerber gleichzeitig, direkt und schriftlich zur Angebotsabgabe auf, sofern die Anzahl der für geeignet erachteten Bewerber dies ermöglicht. Wenn der Auftraggeber keine Anzahl oder Marge festgelegt hat, muss er alle geeigneten Bewerber zur Angebotsabgabe auffordern. Die zur Angebotsabgabe aufgeforderten Bewerber dürfen kein Sammelangebot abgeben.“

12      Zur Zeit der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse war die Richtlinie 2004/18 noch nicht in ungarisches Recht umgesetzt.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

13      Im Ausgangsrechtsstreit geht es um ein Verhandlungsverfahren zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags, dessen Wert über dem gemeinschaftsrechtlichen Schwellenwert liegt. In diesem Rechtsstreit stehen sich zwei Gesellschaften mit Sitz in Deutschland, die Hochtief AG und die Linde-Kca-Dresden GmbH auf der einen und die KTKD auf der anderen Seite gegenüber. Der öffentliche Auftraggeber für diesen Auftrag, die Budapest Főváros Önkormányzata (Selbstverwaltung der Hauptstadt Budapest), ist diesem Rechtsstreit als Streithelferin zur Unterstützung der KTKD beigetreten.

14      Am 5. Februar 2005 ließ die Budapest Főváros Önkormányzata im Amtsblatt der Europäischen Union eine Aufforderung zur Interessenbekundung in einem Verfahren zur Vergabe des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags veröffentlichen. Die Marge der Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden konnten, reichte von drei bis fünf.

15      Bis zum Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge gingen fünf Anträge auf Teilnahme ein, darunter der des von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens gebildeten Konsortiums. In Anbetracht der eingegangenen Bewerbungen erklärte die Budapest Főváros Önkormányzata zum einen die Bewerbung dieses Konsortiums wegen „Unvereinbarkeit“ für ungültig und beschloss zum anderen, das Verfahren mit den beiden „als geeignet“ eingestuften Bewerbern fortzusetzen, indem sie ihnen eine Aufforderung zur Angebotsabgabe übersandte.

16      Gegen die Entscheidung der Budapest Főváros Önkormányzata legten die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens einen Rechtsbehelf bei der KTKD ein und machten insbesondere geltend, dass nach § 130 Kbt das Verfahren nicht fortgesetzt werden könne, da die Zahl der geeigneten Bewerber nicht die vorgeschriebene Mindestgrenze erreicht habe. Die KTKD wies diesen Rechtsbehelf zurück.

17      Daraufhin erhoben die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens Klage gegen die Entscheidung der KTKD, die sie insbesondere auf § 22 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 93/37 stützten. Nachdem auch ihre Klage vom erstinstanzlichen Gericht abgewiesen worden war, legten die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens beim vorlegenden Gericht Rechtsmittel ein.

18      Unter diesen Umständen hat das Fővárosi Ítélőtábla das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Kann Art. 44 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18, der Art. 22 der Richtlinie 93/37 ersetzt, angewendet werden, wenn das Vergabeverfahren zu einem Zeitpunkt begann, zu dem die Richtlinie 2004/18 bereits in Kraft getreten, die den Mitgliedstaaten gewährte Umsetzungsfrist jedoch noch nicht abgelaufen war, so dass sie noch nicht in nationales Recht umgesetzt war?

2.      Falls Frage 1 bejaht wird: Ist im Fall des Verhandlungsverfahrens mit Veröffentlichung einer Bekanntmachung unter Berücksichtigung des Art. 44 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18, wonach „[i]n jedem Fall … die Zahl der eingeladenen Bewerber ausreichend hoch sein [muss], damit ein echter Wettbewerb gewährleistet ist“, die Begrenzung der Zahl der geeigneten Bewerber so zu verstehen, dass in der zweiten Phase, der Auftragsvergabe, die Mindestzahl (drei) unverändert sein muss?

3.      Falls Frage 1 verneint wird: Ist die Bedingung des Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 93/37 einer „hinreichenden Anzahl geeigneter Bewerber“ so auszulegen, dass mangels einer der Mindestzahl der zur Verhandlung zugelassenen Bewerber (drei) entsprechenden Zahl geeigneter Bewerber das Verfahren nicht mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe fortgesetzt werden kann?

4.      Falls Frage 3 verneint wird: Ist der in den Regeln des nicht offenen Verfahrens gesondert eingefügte Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 93/37 – „Auf jeden Fall muss die Zahl der Bewerber, die zum Bieten zugelassen werden, ausreichen, um einen echten Wettbewerb zu gewährleisten“ – auf das in Abs. 3 geregelte zweiphasige Verhandlungsverfahren anzuwenden?

 Zu den Vorabentscheidungsfragen

 Vorbemerkungen

19      Nach Ansicht der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens hätte das vorlegende Gericht die vorgelegten Fragen um eine weitere Frage ergänzen müssen, und zwar die nach der Nichtbeachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die ungarischen Rechtsvorschriften insoweit, als danach vom Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge ohne Weiteres die Personen oder Unternehmen ausgeschlossen seien, die an der Vorbereitung einer Ausschreibung beteiligt gewesen seien, ohne dass ihnen ermöglicht werde, zu beweisen, dass der Wettbewerb nicht beeinträchtigt sei. Entsprechende Maßnahmen im innerstaatlichen Recht anderer Mitgliedstaaten seien in den Urteilen vom 3. März 2005, Fabricom (C‑21/03 und C‑34/03, Slg. 2005, I‑1559), und vom 16. Dezember 2008, Michaniki (C‑213/07, Slg. 2008, I‑0000), als mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar angesehen worden.

20      Insoweit ist zu beachten, dass es im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten nach Art. 234 EG allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der bei ihm anhängigen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. u. a. Urteile vom 7. Januar 2003, BIAO, C‑306/99, Slg. 2003, I‑1, Randnr. 88, vom 14. Dezember 2006, Confederación Española de Empresarios de Estaciones de Servicio, C‑217/05, Slg. 2006, I‑11987, Randnr. 16, und vom 2. April 2009, Pedro IV Servicios, C‑260/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 28).

21      Damit haben auch nur die staatlichen Gerichte zu bestimmen, welche Fragen dem Gerichtshof vorzulegen sind; die Parteien können die Fragen inhaltlich nicht ändern (vgl. u. a. Urteile vom 9. Dezember 1965, Singer, 44/65, Slg. 1965, 1267, 1275, vom 17. September 1998, Kainuun Liikenne und Pohjolan Liikenne, C‑412/96, Slg. 1998, I‑5141, Randnr. 23, und vom 6. Juli 2000, ATB u. a., C‑402/98, Slg. 2000, I‑5501, Randnr. 29).

22      Außerdem wäre eine Änderung des Gehalts der Vorabentscheidungsfragen oder eine Beantwortung der von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens in ihrer Stellungnahme genannten Zusatzfragen unvereinbar mit der dem Gerichtshof durch Art. 234 EG übertragenen Rolle und mit seiner Verpflichtung, sicherzustellen, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten und die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit haben, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs Erklärungen abzugeben, wobei zu berücksichtigen ist, dass den Verfahrensbeteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 1. April 1982, Holdijk u. a., 141/81 bis 143/81, Slg. 1982, 1299, Randnr. 6, vom 30. Januar 1997, Wiljo, C‑178/95, Slg. 1997, I‑585, Randnr. 30, vom 20. März 1997, Phytheron International, C‑352/95, Slg. 1997, I‑1729, Randnr. 14, und Kainuun Liikenne und Pohjolan Liikenne, Randnr. 24).

23      Da im vorliegenden Fall das vorlegende Gericht eine Frage nach den Gründen oder den Umständen des Ausschlusses der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vom Verfahren zur Vergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags weder für notwendig noch für erheblich gehalten hat, kann der Gerichtshof insoweit keine Prüfung vornehmen.

 Zur ersten Frage

24      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2004/18 in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags angewandt werden kann, das nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie, aber vor Ablauf der Frist zu ihrer Umsetzung eingeleitet wurde, so dass sie noch nicht in nationales Recht umgesetzt war.

25      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass den Mitgliedstaaten vor Ablauf der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie nicht zur Last gelegt werden kann, dass sie die Maßnahmen zu deren Umsetzung in innerstaatliches Recht noch nicht erlassen haben (vgl. Urteile vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie, C‑129/96, Slg. 1997, I‑7411, Randnr. 43, und vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a., C‑212/04, Slg. 2006, I‑6057, Randnr. 114).

26      So war im Ausgangsverfahren bei der Einleitung des Verfahrens zur Vergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags die Richtlinie 2004/18 noch nicht in ungarisches Recht umgesetzt, da die Frist zu ihrer Umsetzung noch nicht abgelaufen war, so dass in diesem Stadium des Verfahrens weiterhin die Richtlinie 93/37 galt.

27      Da das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verfahren bei Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2004/18 noch nicht abgeschlossen war, stellt sich auch die Frage nach der etwaigen Anwendbarkeit dieser Richtlinie im Ausgangsverfahren.

28      Hierzu ist den Angaben der ungarischen Regierung in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen, dass die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, das Angebot des von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens gebildeten Konsortiums nicht zu berücksichtigen und das Verfahren mit den beiden als geeignet eingestuften Bewerbern fortzusetzen, vor Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2004/18 getroffen worden war.

29      Unter diesen Umständen würde es gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, das im Ausgangsverfahren anwendbare Recht anhand des Datums der Auftragsvergabe zu bestimmen, während die Entscheidung, durch die im vorliegenden Fall gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen worden sein soll, vor dem in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Datum getroffen wurde (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Oktober 2000, Kommission/Frankreich, C‑337/98, Slg. 2000, I‑8377, Randnr. 40).

30      Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2004/18 nicht auf eine Entscheidung angewandt werden kann, die ein öffentlicher Auftraggeber bei der Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags vor Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie getroffen hat.

 Zur zweiten Frage

31      In Anbetracht der Antwort auf die vorstehende Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

 Zur dritten Frage

32      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 93/37 dahin auszulegen ist, dass ein Verhandlungsverfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags nicht fortgesetzt werden kann, wenn die in dieser Bestimmung festgelegte Mindestzahl von drei Bewerbern nicht erreicht wird.

33      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 93/37 u. a. Vorschriften zum Ablauf des Verfahrens enthält.

34      So sieht Art. 18 der Richtlinie 93/37 hinsichtlich des Ablaufs des Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags mindestens zwei verschiedene Phasen vor, nämlich zum einen den etwaigen Ausschluss von Bietern oder Bewerbern nach Art. 24 dieser Richtlinie sowie die Eignungsprüfung der nicht ausgeschlossenen Bieter oder Bewerber anhand der in den Art. 26 bis 29 dieser Richtlinie genannten und für das betreffende Verfahren festgelegten Kriterien der wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit, und zum anderen die Zuschlagserteilung aufgrund der für dieses Verfahren festgelegten Kriterien, darunter die in Abschnitt IV Kapitel 3 dieser Richtlinie vorgesehenen, wobei die Bestimmungen des Art. 19 dieser Richtlinie zu berücksichtigen sind.

35      Im Verhandlungsverfahren läuft zwischen der erstgenannten Phase und der Phase der Zuschlagserteilung die Phase der Verhandlungen zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den zur Verhandlung zugelassenen Bewerbern ab.

36      Wird ein Auftrag im Verhandlungsverfahren vergeben, darf nach Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 93/37 bei einer hinreichenden Anzahl geeigneter Bewerber die Zahl der zur Verhandlung zugelassenen Bewerber nicht unter drei liegen.

37      Lässt es die Anzahl geeigneter Bewerber zu, sind die öffentlichen Auftraggeber nach dem Wortlaut dieser Bestimmung daher zumindest verpflichtet, in Bezug auf die Zahl der zur Verhandlung zugelassenen Bewerber die in dieser Bestimmung festgelegte Mindestgrenze einzuhalten.

38      Als „geeigneter Bewerber“ im Sinne von Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 93/37 ist insoweit jeder Unternehmer anzusehen, der sich um eine Aufforderung zur Teilnahme an dem betreffenden Verfahren beworben hat und der unter denjenigen, die die in den Art. 24 bis 29 dieser Richtlinie vorgesehenen Anforderungen erfüllen, den für dieses Verfahren festgelegten wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen genügt.

39      Zum einen wird nämlich in Art. 1 Buchst. h der Richtlinie 93/37 der „Bewerber“ als der Unternehmer definiert, der sich um eine Aufforderung zur Teilnahme an einem nicht offenen Verfahren oder einem Verhandlungsverfahren beworben hat.

40      Zum anderen wählen nach Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 93/37 bei den Verhandlungsverfahren die öffentlichen Auftraggeber anhand der erteilten Auskünfte über die Lage des Unternehmers sowie anhand der Auskünfte und Formalitäten, die zur Beurteilung der vom Unternehmer zu erfüllenden wirtschaftlichen und technischen Anforderungen erforderlich sind, unter den Bewerbern, die die in den Art. 24 bis 29 dieser Richtlinie vorgesehenen Anforderungen erfüllen, diejenigen aus, die sie zu Verhandlungen auffordern.

41      Folglich ist Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 93/37 dahin auszulegen, dass bei einer Auftragsvergabe im Wege des Verhandlungsverfahrens die Zahl der zur Verhandlung zugelassenen Bewerber nicht unter drei liegen darf, vorausgesetzt, es hat sich eine hinreichende Anzahl von Unternehmern um eine Aufforderung zur Teilnahme an dem betreffenden Verfahren beworben, die unter denjenigen, die die in den Art. 24 bis 29 dieser Richtlinie vorgesehenen Anforderungen erfüllen, den für dieses Verfahren festgelegten wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen genügen.

42      Wird ein Auftrag im Verhandlungsverfahren vergeben und erreicht die Zahl der geeigneten Bewerber nicht die für das betreffende Verfahren festgelegte Mindestgrenze, die nicht unter drei liegen darf, kann somit der öffentliche Auftraggeber das Verfahren gleichwohl fortsetzen, indem er den oder die geeigneten Bewerber zur Verhandlung über die Auftragsbedingungen auffordert.

43      Wäre dem nicht so, könnte, worauf die Kommission zu Recht hingewiesen hat, das vom öffentlichen Auftraggeber festgestellte und definierte gesellschaftliche Bedürfnis, dem dieser mit der Vergabe des betreffenden Auftrags Rechnung tragen wollte, nicht mangels geeigneter Bewerber, sondern deshalb nicht befriedigt werden, weil deren Anzahl unter dieser Mindestgrenze läge.

44      Demnach ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 93/37 dahin auszulegen ist, dass der öffentliche Auftraggeber dann, wenn ein Auftrag im Verhandlungsverfahren vergeben wird und die Zahl der geeigneten Bewerber die für das betreffende Verfahren festgelegte Mindestgrenze nicht erreicht, das Verfahren gleichwohl fortsetzen kann, indem er den oder die geeigneten Bewerber zur Verhandlung über die Auftragsbedingungen auffordert.

 Zur vierten Frage

45      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 93/37 auf das Verhandlungsverfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge anzuwenden ist.

46      Hierzu ist festzustellen, dass sich aus dem Aufbau des Art. 22 der Richtlinie 93/37 ergibt, dass sein Abs. 2 Unterabs. 2 nur auf im nicht offenen Verfahren vergebene Aufträge Bezug nimmt.

47      Es ist jedoch zu beachten, dass die Richtlinie 93/37, wie aus ihrem zehnten Erwägungsgrund hervorgeht, auf die Entstehung eines echten Wettbewerbs auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens abzielt (vgl. Urteile vom 16. September 1999, Fracasso und Leitschutz, C‑27/98, Slg. 1999, I‑5697, Randnr. 26, vom 27. November 2001, Lombardini und Mantovani, C‑285/99 und C‑286/99, Slg. 2001, I‑9233, Randnr. 34, vom 12. Dezember 2002, Universale-Bau u. a., C‑470/99, Slg. 2002, I‑11617, Randnr. 89, und vom 7. Oktober 2004, Sintesi, C‑247/02, Slg. 2004, I‑9215, Randnr. 35).

48      Damit das Ziel der Entstehung eines echten Wettbewerbs erreicht wird, sucht die Richtlinie 93/37 die Vergabe der Aufträge so auszugestalten, dass der öffentliche Auftraggeber in der Lage ist, verschiedene Angebote miteinander zu vergleichen und aufgrund objektiver Kriterien das günstigste Angebot auszuwählen (Urteile Fracasso und Leitschutz, Randnr. 31, und Sintesi, Randnr. 37).

49      Dementsprechend bestimmt Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 93/37 zwar, dass dann, wenn die öffentlichen Auftraggeber einen Auftrag im nicht offenen Verfahren vergeben, die Zahl der Bewerber, die zum Bieten zugelassen werden, auf jeden Fall ausreichen muss, um einen echten Wettbewerb zu gewährleisten, er erwähnt ausdrücklich jedoch nur eines der allgemeinen Ziele dieser Richtlinie (vgl. in diesem Sinne Urteil Sintesi, Randnr. 36).

50      Folglich hat der öffentliche Auftraggeber, der in den in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 93/37 genannten Fällen auf ein Verhandlungsverfahren zurückgreift, auch wenn diese Richtlinie für solche Verfahren keine Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Richtlinie entsprechende Bestimmung enthält, gleichwohl einen echten Wettbewerb zu gewährleisten.

51      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass in diesen Fällen der Rückgriff auf das Verhandlungsverfahren die vorherige Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung erfordert, die dazu bestimmt ist, die Bewerbungen auszulösen. Wie in Randnr. 14 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, ist diese Maßnahme im Ausgangsverfahren erfolgt.

52      Was ferner die Phase der Verhandlungen über den Auftrag angeht, verpflichtet Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 93/37 den öffentlichen Auftraggeber dazu, eine hinreichende Anzahl von Bewerbern zur Teilnahme an dieser Phase aufzufordern. Die Frage, ob diese Anzahl ausreicht, um einen echten Wettbewerb zu gewährleisten, ist anhand der Merkmale und des Gegenstands des betreffenden Auftrags zu prüfen.

53      Erreicht schließlich in einem solchen Verfahren die Zahl der geeigneten Bewerber nicht die für das betreffende Verfahren festgelegte Mindestgrenze, die nach der Richtlinie 93/37 nicht unter drei liegen darf, ist davon auszugehen, dass der öffentliche Auftraggeber, sofern die wirtschaftlichen und technischen Anforderungen für dieses Verfahren ordnungsgemäß festgelegt und gehandhabt wurden, gleichwohl einen echten Wettbewerb gewährleistet hat.

54      Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 93/37 dahin auszulegen ist, dass die Verpflichtung, einen echten Wettbewerb zu gewährleisten, erfüllt ist, wenn der öffentliche Auftraggeber unter den in Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Bedingungen auf das Verhandlungsverfahren zurückgreift.

 Kosten

55      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge kann nicht auf eine Entscheidung angewandt werden, die ein öffentlicher Auftraggeber bei der Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags vor Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie getroffen hat.

2.      Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge in der durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber dann, wenn ein Auftrag im Verhandlungsverfahren vergeben wird und die Zahl der geeigneten Bewerber die für das betreffende Verfahren festgelegte Mindestgrenze nicht erreicht, das Verfahren gleichwohl fortsetzen kann, indem er den oder die geeigneten Bewerber zur Verhandlung über die Auftragsbedingungen auffordert.

3.      Die Richtlinie 93/37 in der durch die Richtlinie 97/52 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung, einen echten Wettbewerb zu gewährleisten, erfüllt ist, wenn der öffentliche Auftraggeber unter den in Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Bedingungen auf das Verhandlungsverfahren zurückgreift.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Ungarisch.