Rechtssache C-372/02
Roberto Adanez-Vega
gegen
Bundesanstalt für Arbeit
(Vorabentscheidungsersuchen des Bundessozialgerichts)
„Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften – Leistungen bei Arbeitslosigkeit – Voraussetzungen der Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten – Nationale Maßnahme, die die Zeit eines in einem anderen Mitgliedstaat abgeleisteten Pflichtwehrdienstes nicht berücksichtigt“
Leitsätze des Urteils
1. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen – Anwendbare Rechtsvorschriften – Arbeitnehmer, der im Wohnmitgliedstaat
arbeitslos ist, nachdem er seinen Pflichtwehrdienst in einem anderen Mitgliedstaat abgeleistet hat – Zuständigkeit der Rechtsvorschriften
des Wohnmitgliedstaats
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f)
2. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen – Arbeitslosigkeit – Besondere Anknüpfungsregeln – Arbeitsloser,
der während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen als des zuständigen Mitgliedstaats wohnte – Begriff „Beschäftigung“
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 71 Absatz 1)
3. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen – Arbeitslosigkeit – Rechtsvorschriften, die den Leistungsanspruch
von der Zurücklegung von Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten abhängig machen – Zusammenrechnung der Versicherungs- oder
Beschäftigungszeiten – Bescheinigung, die die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungs-
oder Beschäftigungszeiten nennt – Beweiskraft gegenüber den Trägern der sozialen Sicherheit anderer Mitgliedstaaten – Grenzen
(Artikel 10 EG; Verordnung Nr. 574/72 des Rates, Artikel 80)
4. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen – Arbeitslosigkeit – Besondere Anknüpfungsregeln – Arbeitsloser,
der während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen als des zuständigen Mitgliedstaats wohnte – Begriff „Wohnsitz“
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 71 Absatz 1)
5. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen – Arbeitslosigkeit – Besondere Anknüpfungsregeln – Artikel 71
Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71 – Geltungsbereich – Nichtanwendung der allgemeinen Anknüpfungsregeln
– Voraussetzung – Prüfung Sache des nationalen Gerichts
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii)
6. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen – Gemeinschaftsregelung – Persönlicher Geltungsbereich – Arbeitnehmer
im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 – Begriff – Person, die ihren Wehrdienst ableistet – Einbeziehung – Voraussetzung
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 1 Buchstabe a)
7. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen – Arbeitslosigkeit – Rechtsvorschriften, die den Leistungsanspruch
von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig machen – Zusammenrechnung der Versicherungszeiten – Berücksichtigung
von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten – Beschäftigungszeiten
– Begriff
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 67 Absatz 1)
8. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen – Arbeitslosigkeit – Rechtsvorschriften, die den Leistungsanspruch
von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig machen – Zusammenrechnung der Versicherungszeiten – Berücksichtigung
von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten – Voraussetzungen
– Versicherungszeiten, die zuletzt in dem Mitgliedstaat zurückgelegt wurden, in dem die Leistungen beantragt werden – Beurteilung
Sache des nationalen Gerichts
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 67 Absatz 3)
9. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen – Gleichbehandlung – Unanwendbarkeit auf die durch die besonderen
Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 geregelten Leistungen bei Arbeitslosigkeit
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 3 und 67)
1. Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 aktualisierten Fassung,
geändert durch die Verordnung Nr. 2195/91, ist dahin auszulegen, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat wohnt und dort
arbeitslos ist, nachdem sie ihren Pflichtwehrdienst in einem anderen Mitgliedstaat abgeleistet hat, den Rechtsvorschriften
des Wohnmitgliedstaats unterliegt.
(vgl. Randnrn. 26, 41, Tenor 1)
2. Der Begriff „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83
aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung Nr. 2195/91 – Artikel 71 Absatz 1 bestimmt die Rechtsvorschriften, die
im Bereich der Leistungen bei Arbeitslosigkeit auf Arbeitnehmer anzuwenden sind, die während ihrer letzten Beschäftigung im
Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen Staates wohnten –, ist mit Bezug auf die vom nationalen Gesetzgeber
im Bereich der sozialen Sicherheit vorgesehenen Definitionen auszulegen. Eine „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz
1 ist somit eine Beschäftigung, die nach den die soziale Sicherheit betreffenden Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in
dem sie ausgeübt wird, als solche angesehen wird.
(vgl. Randnr. 33)
3. Die gemäß Artikel 80 der Verordnung Nr. 574/72 vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats ausgestellte Bescheinigung, die
die von einem Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften dieses Staates zurückgelegten Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten
nennt, ist, solange sie nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird, vom zuständigen Träger eines anderen Mitgliedstaats
bei der Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen. Der in Artikel 10 EG verankerte
Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet jedoch die Träger der sozialen Sicherheit, die relevanten Tatsachen insbesondere
im Rahmen der Anwendung der Regeln über die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften oder der Regeln über die Zusammenrechnung
der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zutreffend zu beurteilen und damit die Richtigkeit der Angaben in den von ihnen
ausgestellten Bescheinigungen zu garantieren. Somit müssen die Träger der sozialen Sicherheit die Berechtigung der Ausstellung
dieser Bescheinigungen überprüfen und diese gegebenenfalls zurückziehen, wenn Zweifel an der Richtigkeit des ihnen zugrunde
liegenden Sachverhalts und demnach der darin gemachten Angaben bestehen.
(vgl. Randnrn. 34, 36)
4. Der Wohnort eines Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83
aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung Nr. 2195/91 – Artikel 71 Absatz 1 bestimmt die Rechtsvorschriften, die
im Bereich der Leistungen bei Arbeitslosigkeit auf Arbeitnehmer anzuwenden sind, die während ihrer letzten Beschäftigung im
Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen Staates wohnten –, bestimmt sich danach, wo sich der gewöhnliche Mittelpunkt
der Interessen des Arbeitnehmers befindet. Insoweit sind die familiären Verhältnisse des Arbeitnehmers sowie die Gründe, die
ihn zu der Abwanderung bewogen haben, und die Art seiner Tätigkeit zu berücksichtigen.
(vgl. Randnr. 37)
5. Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 aktualisierten
Fassung, geändert durch die Verordnung Nr. 2195/91, der die Rechtsvorschriften bestimmt, die im Bereich der Leistungen bei
Arbeitslosigkeit auf vollarbeitslose Arbeitnehmer anzuwenden sind, die nicht Grenzgänger sind und die während ihrer letzten
Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen Staates wohnten, ist dahin auszulegen, dass er eine
Sondervorschrift darstellt, die die Bestimmung der im Bereich der Leistungen bei Arbeitslosigkeit anzuwendenden Rechtsvorschriften
betrifft, so dass die in diesem Artikel bezeichneten Rechtsvorschriften anzuwenden sind, wenn die Voraussetzungen seiner Anwendung
erfüllt sind, und nicht die in den allgemeinen Anknüpfungsregeln des Titels II bezeichneten Rechtsvorschriften. Dem nationalen
Gericht obliegt es, festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii
erfüllt sind.
(vgl. Randnrn. 41, Tenor2 )
6. Der in der der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung
Nr. 2195/91, verwendete Begriff „Arbeitnehmer“ umfasst jeden, der auch nur gegen ein einziges Risiko bei einem der in Artikel
1 Buchstabe a der Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit unabhängig vom Bestehen
eines Arbeitsverhältnisses pflichtversichert oder freiwillig versichert ist.
Eine Person, die ihren Wehrdienst ableistet, ist folglich als Arbeitnehmer im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 in der geänderten
Fassung einzustufen, wenn sie im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a dieser Verordnung bei einem System der sozialen Sicherheit
versichert ist.
(vgl. Randnrn. 46-47, 54, Tenor 2)
7. Die Zeit eines Pflichtwehrdienstes in einem Mitgliedstaat stellt eine Beschäftigungszeit, die nach den Rechtsvorschriften
dieses Mitgliedstaats zurückgelegt wurde, im Sinne von Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung
Nr. 2001/83 aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung Nr. 2195/91, dar, wenn sie nach diesen Rechtsvorschriften
als solche bestimmt oder anerkannt oder nach ihnen als eine einer Beschäftigungszeit gleichwertige Zeit gleichgestellt und
anerkannt ist. In einem solchen Fall muss der zuständige Träger eines anderen Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften
die Gewährung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, diese Zeit bei
der Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten berücksichtigen.
(vgl. Randnrn. 47, 54, Tenor 2)
8. Es obliegt den nationalen Gerichten, zu prüfen, ob die in Artikel 67 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die
Verordnung Nr. 2001/83 aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung Nr. 2195/91, aufgestellte Voraussetzung erfüllt
ist, dass sich eine Person, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten in einem Mitgliedstaat zurückgelegt hat, nur dann
auf diese Zeiten berufen kann, um in einem anderen Mitgliedstaat eine Leistung bei Arbeitslosigkeit zu erlangen, wenn sie
unmittelbar zuvor Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften des letztgenannten Staates zurückgelegt hat.
Eine Versicherungszeit ist dabei dann als „unmittelbar zuvor“ in einem Mitgliedstaat zurückgelegt anzusehen, wenn unabhängig
von der zwischen der Beendigung der letzten Versicherungszeit und dem Antrag auf Leistungen verstrichenen Zeit in der Zwischenzeit
keine weitere Versicherungszeit in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurde.
(vgl. Randnrn. 52-53, Tenor 2)
9. Artikel 3 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung
Nr. 2195/91, der den Grundsatz der Gleichbehandlung im Geltungsbereich dieser Verordnung festschreibt, schließt nicht aus,
dass ein zuständiger Träger im Rahmen der Prüfung des Anspruchs eines Arbeitnehmers auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit bei
der Berechnung der zurückgelegten Versicherungszeiten die Zeit eines in einem anderen Mitgliedstaat abgeleisteten Pflichtwehrdienstes
unberücksichtigt lässt, obwohl die Berücksichtigung in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen beantragt werden,
vorgesehen ist, wenn sich diese Lösung aus der Anwendung des Artikels 67 der Verordnung ergibt, einer besonderen Bestimmung,
die den Anspruch eines Arbeitnehmers auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit regelt.
(vgl. Randnrn. 57-58, Tenor 3)
-
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)
11. November 2004(1)
„Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften – Leistungen bei Arbeitslosigkeit – Voraussetzungen der Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten – Nationale Maßnahme, die die Zeit eines in einem anderen Mitgliedstaat abgeleisteten Pflichtwehrdienstes nicht berücksichtigt“
In der Rechtssache C-372/02betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,eingereicht vom Bundessozialgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. August 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Oktober 2002, in dem Verfahren
Roberto Adanez-Vega
gegen
Bundesanstalt für Arbeit
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer),
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter A. Rosas und S. von Bahr,
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: R. Grass,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- –
von Herrn Adanez-Vega, vertreten durch J. López Lerma,
- –
der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten,
- –
der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. I. Fernandes und S. da Nóbrega Pizarro als Bevollmächtigte,
- –
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard und H. Kreppel als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. März 2004,
folgendes
Urteil
- 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 3, 13 Absatz 2, 67 und 71 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige,
die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983
(ABl. L 230, S. 6) aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2195/91 des Rates vom 25. Juni 1991 (ABl.
L 206, S. 2) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).
- 2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Adanez-Vega und der Bundesanstalt für Arbeit (im Folgenden: Bundesanstalt)
wegen deren Weigerung, dem Kläger Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
-
- Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung Begriffsbestimmungen
- 3
Nach Artikel 1 Buchstabe s der Verordnung 1408/71 sind „‚Beschäftigungszeiten‘ oder ‚Zeiten einer Selbständigentätigkeit‘:
die Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften, unter denen sie zurückgelegt worden sind, als solche bestimmt oder anerkannt
sind, ferner alle gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als den Beschäftigungszeiten oder den
Zeiten einer Selbständigentätigkeit gleichwertig anerkannt sind“.
Kollisionsnormen
- 4
Artikel 13 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
„(1) … Personen, für die diese Verordnung gilt, [unterliegen] den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften
dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:
- a)
- Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften
dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen,
das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
…
- e)
- eine zum Wehrdienst oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften
dieses Staates …;
- f)
- eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften
eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen
der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie
wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.“
- 5
Nach Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71 erhalten Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind
und die „während [ihrer] letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zuständigen Staates wohnte[n]
... und … sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, oder in das Gebiet
dieses Staates zurückkehren, ... bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates ...; diese
Leistungen gewährt der Träger des Wohnorts zu seinen Lasten ...“.
Materielle Vorschriften
- 6
Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt: „Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die
diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die
Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.“
- 7
Bezüglich der Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestimmt Artikel 67 Absätze 1 und 3 der Verordnung Nr. 1408/71 unter der Überschrift
„Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten“:
„(1) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben
des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, berücksichtigt, soweit erforderlich, die
Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die als Arbeitsnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt
wurden, als handelte es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind; für
Beschäftigungszeiten gilt dies jedoch unter der Voraussetzung, dass sie als Versicherungszeiten gegolten hätten, wenn sie
nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.
…
(3) Absätze 1 und 2 gelten außer in den in Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer ii) und Buchstabe b) Ziffer ii) genannten Fällen
nur unter der Voraussetzung, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor
- –
- im Falle des Absatzes 1 Versicherungszeiten,
- –
- im Falle des Absatzes 2 Beschäftigungszeiten
nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt werden.“
Nationale Regelung
- 8
Nach § 100 Absatz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der 1996 geltenden Fassung hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer u. a.
die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Nach § 104 AFG ist die Anwartschaftszeit erfüllt, wenn der Betreffende in der Rahmenfrist
von drei Jahren 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat. Die Rahmenfrist geht
dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sind,
unmittelbar voraus.
- 9
Nach § 134 AFG wird Arbeitslosen, die bedürftig sind und die sonstigen Voraussetzungen nach § 100 AFG erfüllen, hilfsweise
Arbeitslosenhilfe gewährt mit der Maßgabe, dass sie anstelle einer Anwartschaftszeit von 360 Kalendertagen lediglich eine
die Beitragspflicht begründende Beschäftigung von mindestens 150 Kalendertagen innerhalb einer kürzeren Vorfrist von einem
Jahr nachweisen müssen.
- 10
Nach § 107 AFG stehen die Zeiten des Wehrdienstes einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
- 11
Herr Adanez-Vega ist ein spanischer Staatsangehöriger, der seit seiner Geburt 1974 durchgehend mit erstem Wohnsitz in Deutschland
gemeldet ist.
- 12
Vom 1. September 1991 bis 4. Dezember 1992 absolvierte er eine Ausbildung in Spanien, für die er sozialversicherungspflichtig
(u. a. arbeitslosenversicherungspflichtig) war. Anschließend war er vom 3. bis 31. August 1994 und vom 3. November 1994 bis
20. April 1995 in Deutschland sozialversicherungspflichtig (u. a. arbeitslosenversicherungspflichtig) beschäftigt. Am 21.
April 1995 begab sich Herr Adanez-Vega nach Spanien, wo er vom 18. Mai 1995 bis 15. Februar 1996 seinen Pflichtwehrdienst
ableistete. Nach dem Ende der Wehrdienstzeit kehrte er nach Deutschland zurück.
- 13
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland meldete sich Herr Adanez-Vega am 25. April 1996 bei der Bundesanstalt arbeitslos und
beantragte Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Am 30. Mai 1996 fand er eine neue Arbeitsstelle.
- 14
Die Bundesanstalt lehnte mit Bescheid vom 31. Mai 1996 die Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit für den Zeitraum
vom 25. April 1996 bis zum 29. Mai 1996 ab, da die in den §§ 104 und 134 AFG genannten Voraussetzungen der Dauer der Versicherungszugehörigkeit,
die einen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe) begründeten, nicht erfüllt
seien. Die Zeit des in Spanien abgeleisteten Wehrdienstes sei nicht zu berücksichtigen; Herr Adanez-Vega erfülle daher weder
die Voraussetzung einer Versicherungszugehörigkeit von 360 Kalendertagen innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren gemäß § 104
AFG noch die Voraussetzung einer Versicherungszugehörigkeit von 150 Tagen innerhalb der Vorfrist von einem Jahr gemäß § 134
AFG.
- 15
Den Widerspruch von Herrn Adanez-Vega gegen diesen Bescheid wies die Bundesanstalt mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 1996
zurück. Der von Herrn Adanez-Vega gegen diesen Bescheid beim Sozialgericht Hannover (Deutschland) erhobenen Klage wurde mit
Urteil vom 26. Februar 1998 stattgegeben. Die Berufung der Bundesanstalt zum Landessozialgericht Niedersachsen (Deutschland)
wurde mit Urteil vom 23. Oktober 2001 zurückgewiesen. Die Bundesanstalt legte daraufhin Revision beim Bundessozialgericht
ein.
- 16
Das Bundessozialgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Unterliegt eine Person, die über zwei Monate nach Beendigung ihres in Spanien abgeleisteten Pflichtwehrdienstes Leistungen
aus der deutschen Arbeitslosenversicherung beansprucht,
-
- a)
- nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e der Verordnung Nr. 1408/71 den spanischen Rechtsvorschriften oder
-
- b)
- nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 den deutschen Rechtsvorschriften?
2. Wenn die Frage 1a bejaht wird:
-
- a)
- Stellt der in Spanien geleistete Pflichtwehrdienst die „letzte Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats“ im Sinne
des Artikels 71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dar?
-
- b)
- Wenn die Frage 2a bejaht wird:
-
-
- Enthält Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 auch die Regelung, dass die letzte, im
Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegte Beschäftigung für die Leistungen an Arbeitslose so zu berücksichtigen ist,
als wäre sie im Wohnstaat zurückgelegt, ohne dass es einer Prüfung der Voraussetzungen des Artikels 67 der Verordnung Nr. 1408/71
bedarf?
-
- c)
- Wenn die Frage 2b verneint wird:
-
-
- Unter welchen Voraussetzungen ist eine Zeit der Ableistung der Wehrpflicht, die nach nationalem (spanischem) Recht weder eine
Versicherungszeit in der Arbeitslosenversicherung darstellt noch einer solchen gleichsteht, nach Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung
Nr. 1408/71 eine Beschäftigungszeit, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt
wurde?
3. Wenn die Frage 1b bejaht wird:
-
- a)
- Hat eine Person, die vor über einem Jahr ihre letzte Versicherungszeit in Deutschland beendet hat und die danach ihren neunmonatigen
Pflichtwehrdienst in Spanien abgeleistet hat, im Sinne des Artikels 67 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 „unmittelbar zuvor“
Versicherungszeiten nach deutschem Recht zurückgelegt?
-
- b)
- Wenn die Frage 3a bejaht wird:
-
-
- Unter welchen Voraussetzungen ist eine Zeit der Ableistung der Wehrpflicht, die nach nationalem (spanischem) Recht weder eine
Versicherungszeit in der Arbeitslosenversicherung darstellt noch einer solchen gleichsteht, nach Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung
Nr. 1408/71 eine Beschäftigungszeit, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt
wurde? (entspricht Frage 2c)
-
- c)
- Wenn Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 nicht auf den Kläger anwendbar ist (Fragen 3a und b):
-
-
- aa)
- Stellt der in Spanien geleistete Pflichtwehrdienst die „letzte Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats“ im Sinne
des Artikels 71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dar? (entspricht Frage 2a)
-
-
- bb)
- Wenn die Frage 3c aa bejaht wird:
-
-
- Enthält Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 auch die Regelung, dass die letzte, im
Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegte Beschäftigung für die Leistungen an Arbeitslose so zu berücksichtigen ist,
als wäre sie im Wohnstaat zurückgelegt, ohne dass es einer Prüfung der Voraussetzungen des Artikels 67 der Verordnung Nr. 1408/71
bedarf? (entspricht Frage 2b)
4. Sofern weder nach Artikel 71 noch nach Artikel 67 der Verordnung Nr. 1408/71 für den Anspruch des Klägers auf Leistungen
der deutschen Arbeitslosenversicherung die Zeit des spanischen Pflichtwehrdienstes zu berücksichtigen ist, ergibt sich ein
entsprechender Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1408/71 oder aus anderen allgemeinen
Bestimmungen des Europarechts?
Zu den VorlagefragenZur ersten Frage: Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften (Artikel 13 und 71 der Verordnung Nr. 1408/71)
- 17
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob nach den Artikeln 13 und 71 der Verordnung
Nr. 1408/71 auf eine Person, die in einem Mitgliedstaat wohnt und dort arbeitslos ist, nachdem sie ihren Pflichtwehrdienst
in einem anderen Mitgliedstaat abgeleistet hat, die Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats oder die Rechtsvorschriften
des Mitgliedstaats anzuwenden sind, in dem sie ihren Wehrdienst abgeleistet hat.
- 18
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71, nach denen
sich die anzuwendenden Rechtsvorschriften bestimmen, ein geschlossenes System von Kollisionsnormen bilden, das den nationalen
Gesetzgebern die Befugnis nimmt, in diesem Bereich den Geltungsbereich und die Anwendungsvoraussetzungen ihrer nationalen
Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Gebiet sie ihre Wirkung
entfalten sollen (in diesem Sinne u. a. Urteile vom 12. Juni 1986 in der Rechtssache 302/84, Ten Holder, Slg. 1986, 1821,
Randnr. 21, und vom 10. Juli 1986 in der Rechtssache 60/85, Luijten, Slg. 1986, 2365, Randnr. 14).
- 19
Die Verordnung Nr. 1408/71 enthält insoweit in ihrem Titel II Regeln, nach denen sich die „anzuwendenden Rechtsvorschriften“
bestimmen. In einigen Bereichen unterliegen diese allgemeinen Anknüpfungsregeln jedoch Ausnahmen (in diesem Sinne Urteil vom
29. Juni 1988 in der Rechtssache 58/87, Rebmann, Slg. 1988, 3467, Randnr. 13). Nach der Systematik der Verordnung Nr. 1408/71
setzt die Anwendung der besonderen Anknüpfungsregeln gleichwohl voraus, dass zuvor die gemäß den Vorschriften des Titels II
der Verordnung anzuwendenden Rechtsvorschriften bestimmt werden.
- 20
Folglich ist zunächst festzustellen, welche Rechtsvorschriften nach den allgemeinen Anknüpfungsregeln des Titels II der Verordnung
Nr. 1408/71 anzuwenden sind. Anschließend ist zu prüfen, ob die besonderen Anknüpfungsregeln dieser Verordnung die Anwendung
anderer Rechtsvorschriften vorsehen.
Die allgemeinen Anknüpfungsregeln (Artikel 13 der Verordnung Nr. 1408/71)
- 21
Nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e der Verordnung Nr. 1408/71 unterliegt eine zum Wehrdienst eines Mitgliedstaats einberufene
Person den Rechtsvorschriften dieses Staates.
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Daraus folgt für das Ausgangsverfahren, dass Herr Adanez-Vega während der Ableistung seines Wehrdienstes in Spanien den spanischen
Rechtsvorschriften unterlag. Mit der Beendigung seines Wehrdienstes waren diese Rechtsvorschriften jedoch nicht mehr anwendbar.
- 23
Nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 unterliegt eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats
nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß den Artikeln 13 Absatz 2 Buchstaben
a bis d oder 14 bis 17 der Verordnung auf sie anwendbar würden, den Rechtsvorschriften jenes Mitgliedstaats, in dessen Gebiet
sie wohnt.
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Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes gilt Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 sowohl für Personen,
die endgültig jede Berufstätigkeit aufgegeben haben, als auch für Personen, die ihre Tätigkeit nur vorübergehend beendet haben
(Urteil vom 11. Juni 1998 in der Rechtssache C‑275/96, Kuusijärvi, Slg. 1998, I‑3419, Randnrn. 39 und 40).
- 25
Auf arbeitslose Personen sind somit nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 grundsätzlich
die Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats anzuwenden.
- 26
Für das Ausgangsverfahren folgt daraus, dass eine Person, die wie Herr Adanez-Vega in einem Mitgliedstaat wohnt und dort arbeitslos
ist, nachdem sie ihren Pflichtwehrdienst in einem anderen Mitgliedstaat abgeleistet hat, nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe
f der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats unterliegt. Nach den allgemeinen Anknüpfungsregeln
des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 sind somit die deutschen Rechtsvorschriften anzuwenden, wenn es darum geht, festzustellen,
ob Herr Adanez-Vega die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit erfüllt.
- 27
Zu prüfen ist jedoch noch, ob sich aus Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71, der Sonderregeln
für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften im Bereich der Leistungen bei Arbeitslosigkeit enthält, etwas anderes
ergibt.
- 28
Die Anwendbarkeit des Artikels 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71 ist nämlich, auch wenn sie genauso
wie Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung zur Bestimmung der Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats als anzuwendende
Rechtsvorschriften führt, im Ausgangsverfahren von besonderer Bedeutung, da sie außerdem auch für die Auslegung des Artikels
67 Absatz 3 der Verordnung bezüglich der Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten relevant sein wird.
Die besonderen Anknüpfungsregeln (Artikel 71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71)
- 29
Artikel 71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 betrifft den Fall arbeitsloser Arbeitnehmer, die während ihrer letzten Beschäftigung
in einem anderen Mitgliedstaat als dem zu dieser Zeit zuständigen Staat wohnten.
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Nach Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung erhalten Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und die sich
der Arbeitsverwaltung des Mitgliedstaats zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, oder die in das Gebiet dieses
Staates zurückkehren, bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt
beschäftigt gewesen wären.
- 31
Die Bestimmung der Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats als anzuwendende Rechtsvorschriften gemäß Artikel 71 Absatz 1
der Verordnung Nr. 1408/71 setzt somit voraus, dass der Betreffende während seiner letzten Beschäftigung in einem anderen
Mitgliedstaat als dem zu dieser Zeit zuständigen Staat wohnte.
- 32
In Bezug auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens ist somit zu prüfen, ob
- –
- der in Spanien abgeleistete Pflichtwehrdienst als „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71
angesehen werden kann,
- –
- Herr Adanez-Vega während dieser Zeit tatsächlich in Deutschland „wohnte“ und
- –
- das Königreich Spanien während der Ableistung des Pflichtwehrdienstes der „zuständige Staat“ im Sinne dieses Artikels war.
- 33
Was die erste Voraussetzung angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Beschäftigung“ in der Verordnung Nr. 1408/71
nicht definiert wird. Da diese Verordnung jedoch keine Gemeinschaftsmaßnahme zur Harmonisierung der nationalen Systeme der
sozialen Sicherheit ist, sondern vielmehr ein Rechtsakt ist, der der Koordinierung dieser Systeme dient, ist nach ihrer Systematik
und nach ihrem Sinn und Zweck der Begriff „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel 71 Absatz 1 mit Bezug auf die vom nationalen
Gesetzgeber im Bereich der sozialen Sicherheit vorgesehenen Definitionen auszulegen. Eine „Beschäftigung“ im Sinne von Artikel
71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ist somit eine Beschäftigung, die nach den die soziale Sicherheit betreffenden Rechtsvorschriften
des Mitgliedstaats, in dem sie ausgeübt wird, als solche angesehen wird.
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Falls sich diese nationalen Rechtsvorschriften für die Definition des Begriffes „Beschäftigung“ auf solche Tätigkeiten beziehen,
die zu einer Versicherungs- oder Beschäftigungszeit führen, so könnte eine Bescheinigung nach Artikel 80 der Verordnung (EWG)
Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. L 74, S. 1), die vom zuständigen
Träger des betreffenden Staates ausgestellt worden ist und die die nach dessen Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs-
und Beschäftigungszeiten nennt, als Anhaltspunkt dafür dienen, ob ein Pflichtwehrdienst als „Beschäftigung“ anzusehen ist
oder nicht.
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Aus den Verfahrensakten geht hervor, dass im Ausgangsverfahren der spanische Träger der sozialen Sicherheit nach Artikel 80
der Verordnung Nr. 574/72 eine Bescheinigung ausgestellt hat, der zufolge Herr Adanez-Vega in Spanien eine Versicherungs-
oder Beschäftigungszeit nur vom 1. Dezember 1991 bis 4. Dezember 1992, d. h. außerhalb der Zeit des Pflichtwehrdienstes, zurückgelegt
hat. Dies könnte theoretisch zur Vermutung Anlass geben, dass die letztgenannte Zeit nach den spanischen Rechtsvorschriften
nicht als „Beschäftigung“ angesehen werden kann.
- 36
Nach der Rechtsprechung ist nämlich eine von einem Träger eines Mitgliedstaats ausgestellte Bescheinigung, solange sie nicht
zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird, vom zuständigen Träger eines anderen Mitgliedstaats zu berücksichtigen. Der
in Artikel 10 EG verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet jedoch die Träger der sozialen Sicherheit, die
relevanten Tatsachen insbesondere im Rahmen der Anwendung der Regeln über die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften
oder der Regeln über die Zusammenrechnung von Zeiten zutreffend zu beurteilen und damit die Richtigkeit der Angaben in den
Bescheinigungen zu garantieren. Somit müssen die Träger der sozialen Sicherheit die Berechtigung der Ausstellung der Bescheinigungen
überprüfen und diese gegebenenfalls zurückziehen, wenn Zweifel an der Richtigkeit des ihnen zugrunde liegenden Sachverhalts
und demnach der darin gemachten Angaben bestehen (in diesem Sinne Urteile vom 10. Februar 2000 in der Rechtssache C‑202/97,
FTS, Slg. 2000, I‑883, Randnr. 56, und vom 30. März 2000 in der Rechtssache C‑178/97, Banks u. a., Slg. 2000, I‑2005, Randnr. 43).
- 37
Was die zweite Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 angeht, so bestimmt sich
der „Wohnort“ nach ständiger Rechtsprechung danach, wo sich der gewöhnliche Mittelpunkt der Interessen befindet. Insoweit
sind die familiären Verhältnisse des Arbeitnehmers sowie die Gründe, die ihn zu der Abwanderung bewogen haben, und die Art
seiner Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl. u. a. Urteil vom 17. Februar 1977 in der Rechtssache 76/76, Di Paolo, Slg. 1977,
315, Randnrn. 17 und 20).
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Schließlich ergibt sich bezüglich der dritten Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 71 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71
aus Randnummer 22 des vorliegenden Urteils, dass während der Wehrdienstzeit gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e der Verordnung
die spanischen Rechtsvorschriften anzuwenden waren.
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Im Ausgangsverfahren obliegt es dem vorlegenden Gericht, festzustellen, ob Herr Adanez-Vega die Voraussetzungen für die Anwendung
von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71 erfüllt.
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Sollte Herr Adanez-Vega die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung
Nr. 1408/71 erfüllen, wären auf ihn nach dieser Vorschrift ebenfalls die Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats anzuwenden,
d. h. die deutschen Rechtsvorschriften.
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Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen
ist, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat wohnt und dort arbeitslos ist, nachdem sie ihren Pflichtwehrdienst in einem
anderen Mitgliedstaat abgeleistet hat, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats unterliegt.
Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71 ist dahin auszulegen, dass er eine Sondervorschrift darstellt,
die die Bestimmung der im Bereich der Leistungen bei Arbeitslosigkeit anzuwendenden Rechtsvorschriften betrifft, so dass die
in diesem Artikel bezeichneten Rechtsvorschriften anzuwenden sind, wenn die Voraussetzungen seiner Anwendung erfüllt sind.
Dem nationalen Gericht obliegt es, festzustellen, ob im Ausgangsverfahren die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels
71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii erfüllt sind.
Sollten im Ausgangsverfahren die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung
Nr. 1408/71 erfüllt sein, wären auf eine Person, die in einem Mitgliedstaat wohnt und dort arbeitslos ist, nachdem sie ihren
Pflichtwehrdienst in einem anderen Mitgliedstaat abgeleistet hat, nach dieser Vorschrift ebenfalls die Rechtsvorschriften
des Wohnmitgliedstaats anzuwenden.
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Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.
Zur dritten Frage: Verpflichtung des zuständigen Trägers, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten
Versicherungs- und Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen (Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71)
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Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein zuständiger Träger nach Artikel 67 der
Verordnung Nr. 1408/71 im Rahmen der Prüfung des Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit verpflichtet ist, bei der Berechnung
der zurückgelegten Versicherungszeiten die Zeit eines in einem anderen Mitgliedstaat abgeleisteten Pflichtwehrdienstes zu
berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang fragt das vorlegende Gericht erstens danach, unter welchen Voraussetzungen die Zeit eines in einem
anderen Mitgliedstaat abgeleisteten Pflichtwehrdienstes eine „Beschäftigungs[zeit], die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften
[dieses] anderen Mitgliedstaats zurückgelegt [wurde]“, im Sinne von Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 darstellt.
Zweitens möchte es wissen, ob die in Artikel 67 Absatz 3 der Verordnung genannte Voraussetzung, dass „die betreffende Person
unmittelbar zuvor … Versicherungszeiten … nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt
werden“, der Verpflichtung entgegensteht, Beschäftigungszeiten zusammenzurechnen, wenn die betreffende Person ihre letzte
diesen Rechtsvorschriften unterliegende Versicherungszeit über ein Jahr zuvor beendet und anschließend einen neunmonatigen
Pflichtwehrdienst in einem anderen Mitgliedstaat abgeleistet hat.
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Zunächst ist festzustellen, dass nach dem systematischen Zusammenhang und dem Wortlaut der Artikel 67 und 71 der Verordnung
Nr. 1408/71 die Anwendung der Zusammenrechnungsvorschriften des Artikels 67 unabhängig von der Anwendung der in Artikel 71
enthaltenen Vorschriften über die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften ist (vgl. Urteil vom 12. Mai 1989 in der
Rechtssache 388/87, Warmerdam-Steggerda, Slg. 1989, 1203, Randnr. 18). Die Zusammenrechnungsvorschriften des Artikels 67 sind
damit auch dann anwendbar, wenn die anzuwendenden Rechtsvorschriften im Bereich der Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den
Vorschriften des Artikels 71 bestimmt worden sein sollten. Diese Möglichkeit wird in Artikel 67 Absatz 3 der Verordnung auch
erwähnt.
Zur Einstufung als „Beschäftigungs[zeit], die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt
[wurde]“, im Sinne von Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71
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Hierzu ergibt sich aus Artikel 1 Buchstabe s der Verordnung Nr. 1408/71, dass die Einstufung einer Arbeitsperiode als „Beschäftigungszeit“
von den nationalen Rechtsvorschriften abhängt, unter denen sie zurückgelegt worden ist.
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Zudem umfasst der in der Verordnung Nr. 1408/71 verwendete Begriff „Arbeitnehmer“ jeden, der auch nur gegen ein einziges Risiko
bei einem der in Artikel 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen
Sicherheit unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses pflichtversichert oder freiwillig versichert ist (Urteile vom
12. Mai 1998 in der Rechtssache C‑85/96, Martínez Sala, Slg. 1998, I‑2691, Randnr. 36, und Kuusijärvi, Randnr. 21).
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Im Ausgangsverfahren ist die von Herrn Adanez-Vega in Spanien zurückgelegte Zeit des Wehrdienstes somit dann als „Beschäftigungs[zeit],
die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften [dieses] Mitgliedstaats zurückgelegt [wurde]“, im Sinne von Artikel 67 Absatz
1 der Verordnung Nr. 1408/71 anzusehen, wenn sie nach den spanischen Rechtsvorschriften als solche bestimmt oder anerkannt
ist oder nach diesen Rechtsvorschriften als eine einer Beschäftigungszeit gleichwertige Zeit gleichgestellt und anerkannt
ist und wenn Herr Adanez-Vega während seines Wehrdienstes versichert im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Verordnung war.
Dem vorlegenden Gericht obliegt es, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.
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In diesem Zusammenhang ergibt sich aus Artikel 80 der Verordnung Nr. 574/72, dass eine Person für die Inanspruchnahme der
Regelung nach Artikel 67 der Verordnung Nr. 1408/71 dem zuständigen Träger eine Bescheinigung über die Versicherungs- oder
Beschäftigungszeiten vorzulegen hat, die sie als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt
hat. Aus Randnummer 36 des vorliegenden Urteils geht jedoch hervor, dass eine solche vom zuständigen spanischen Träger ausgestellte
Bescheinigung weder für den zuständigen deutschen Träger noch für die deutschen Gerichte einen unwiderlegbaren Beweis darstellt
(ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1992 in der Rechtssache C‑102/91, Knoch, Slg. 1992, I‑4341, Randnr. 54).
Zu der in Artikel 67 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 genannten Voraussetzung, dass „die betreffende Person unmittelbar
zuvor … Versicherungszeiten … nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt werden“
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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die in Artikel 67 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 genannte Voraussetzung im Ausgangsverfahren
dann nicht anwendbar ist, wenn sich herausstellen sollte, dass Herr Adanez-Vega in den Anwendungsbereich des Artikels 71 Absatz
1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung fällt.
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Nach 67 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 hängt nämlich die Verpflichtung des zuständigen Trägers, bei der Berechnung der
zurückgelegten Versicherungszeiten eine von jemandem als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats
zurückgelegte Versicherungs- oder Beschäftigungszeit zu berücksichtigen, davon ab, dass „die betreffende Person unmittelbar
zuvor … Versicherungszeiten … nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt werden“, es
sei denn, es handelt sich um Arbeitslose, die von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii und Buchstabe b Ziffer ii der
Verordnung erfasst sind, weil sie während ihrer letzten Beschäftigung außerhalb des zu dieser Zeit zuständigen Staates wohnten.
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Nach der Rechtsprechung hat die Voraussetzung, dass „die betreffende Person unmittelbar zuvor … Versicherungszeiten … nach
den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt werden“, zum Ziel, die Arbeitsuche in dem Mitgliedstaat
zu fördern, in dem der Betreffende unmittelbar zuvor Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt hat, und diesen Staat die
Leistungen bei Arbeitslosigkeit tragen zu lassen (in diesem Sinne Urteil vom 8. April 1992 in der Rechtssache C‑62/91, Gray,
Slg. 1992, I‑2737, Randnr. 12).
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Folglich ist eine Versicherungszeit, wie der Generalanwalt in den Nummern 79 und 80 seiner Schlussanträge erläutert, dann
als „unmittelbar zuvor“ in einem Mitgliedstaat zurückgelegt anzusehen, wenn unabhängig von der zwischen der Beendigung der
letzten Versicherungszeit und dem Antrag auf Leistungen verstrichenen Zeit in der Zwischenzeit keine weitere Versicherungszeit
in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurde.
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Im Ausgangsverfahren obliegt es dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob Herr Adanez-Vega Versicherungszeiten in Deutschland
zurückgelegt hat und ob in der Zwischenzeit keine weitere Versicherungszeit in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurde.
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Nach alledem ist auf die dritte Frage erstens zu antworten, dass die Zeit eines Pflichtwehrdienstes in einem anderen Mitgliedstaat
eine „Beschäftigungs[zeit], die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften [dieses] anderen Mitgliedstaats zurückgelegt
[wurde]“, im Sinne von Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 darstellt, wenn sie nach den Rechtsvorschriften dieses
anderen Mitgliedstaats als solche bestimmt oder anerkannt oder nach diesen Rechtsvorschriften als eine einer Beschäftigungszeit
gleichwertige Zeit gleichgestellt und anerkannt ist und der Betreffende während seines Wehrdienstes versichert im Sinne von
Artikel 1 Buchstabe a der Verordnung war.
Zweitens steht die in Artikel 67 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 genannte Voraussetzung, dass „die betreffende Person
unmittelbar zuvor … Versicherungszeiten … nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt
werden“, der Verpflichtung zu einer Zusammenrechnung von Beschäftigungszeiten nur dann entgegen, wenn nach der letzten Versicherungszeit,
die nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt wurde, nach denen die Leistungen beantragt werden, eine Versicherungszeit in
einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurde.
Zur vierten Frage: Grundsatz der Gleichbehandlung (Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71)
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Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 3 der Verordnung Nr. 1408/71 es
unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ausschließt, dass ein zuständiger Träger im Rahmen der Prüfung des Anspruchs
auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit bei der Berechnung der zurückgelegten Versicherungszeiten die Zeit eines in einem anderen
Mitgliedstaat abgeleisteten Pflichtwehrdienstes unberücksichtigt lässt.
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Hierzu ist festzustellen, dass Artikel 3 der Verordnung Nr. 1408/71 nur gilt, „soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung
nichts anderes vorsehen“.
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Aus den vom Generalanwalt in den Nummern 94 und 97 seiner Schlussanträge genannten Gründen findet Artikel 3 der Verordnung
Nr. 1408/71 im Ausgangsverfahren keine Anwendung, da die Verordnung besondere Bestimmungen enthält, nämlich Artikel 67, der
den Anspruch eines Arbeitslosen auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit regelt.
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Demnach ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Artikel 3 der Verordnung Nr. 1408/71 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens
nicht ausschließt, dass ein zuständiger Träger im Rahmen der Prüfung des Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit bei
der Berechnung der zurückgelegten Versicherungszeiten die Zeit eines in einem anderen Mitgliedstaat abgeleisteten Pflichtwehrdienstes
unberücksichtigt lässt.
Kosten
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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen
Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von
Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
-
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
- 1.
- Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen
Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern,
in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung
(EWG) Nr. 2195/91 des Rates vom 25. Juni 1991, ist dahin auszulegen, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat wohnt und
dort arbeitslos ist, nachdem sie ihren Pflichtwehrdienst in einem anderen Mitgliedstaat abgeleistet hat, den Rechtsvorschriften
des Wohnmitgliedstaats unterliegt.
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- Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der geänderten Verordnung Nr. 1408/71 ist dahin auszulegen, dass er eine Sondervorschrift
darstellt, die die Bestimmung der im Bereich der Leistungen bei Arbeitslosigkeit anzuwendenden Rechtsvorschriften betrifft,
so dass die in diesem Artikel bezeichneten Rechtsvorschriften anzuwenden sind, wenn die Voraussetzungen seiner Anwendung erfüllt
sind.
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- Dem nationalen Gericht obliegt es, festzustellen, ob im Ausgangsverfahren die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels
71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii erfüllt sind.
-
- Sollten im Ausgangsverfahren die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der geänderten
Verordnung Nr. 1408/71 erfüllt sein, wären auf eine Person, die in einem Mitgliedstaat wohnt und dort arbeitslos ist, nachdem
sie ihren Pflichtwehrdienst in einem anderen Mitgliedstaat abgeleistet hat, nach dieser Vorschrift ebenfalls die Rechtsvorschriften
des Wohnmitgliedstaats anzuwenden.
- 2.
- Die Zeit eines Pflichtwehrdienstes in einem anderen Mitgliedstaat stellt eine „Beschäftigungs[zeit], die als Arbeitnehmer
nach den Rechtsvorschriften [dieses] anderen Mitgliedstaats zurückgelegt [wurde]“, im Sinne von Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung
Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung Nr. 2195/91, dar,
wenn sie nach den Rechtsvorschriften dieses anderen Mitgliedstaats als solche bestimmt oder anerkannt oder nach diesen Rechtsvorschriften
als eine einer Beschäftigungszeit gleichwertige Zeit gleichgestellt und anerkannt ist und der Betreffende während seines Wehrdienstes
versichert im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Verordnung war.
-
- Die in Artikel 67 Absatz 3 der geänderten Verordnung Nr. 1408/71 genannte Voraussetzung, dass „die betreffende Person unmittelbar
zuvor … Versicherungszeiten … nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt werden“, steht
der Verpflichtung zu einer Zusammenrechnung von Beschäftigungszeiten nur dann entgegen, wenn nach der letzten Versicherungszeit,
die nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt wurde, nach denen die Leistungen beantragt werden, eine Versicherungszeit in
einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt wurde.
- 3.
- Artikel 3 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung
Nr. 2195/91, schließt unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht aus, dass ein zuständiger Träger im Rahmen der
Prüfung des Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit bei der Berechnung der zurückgelegten Versicherungszeiten die Zeit
eines in einem anderen Mitgliedstaat abgeleisteten Pflichtwehrdienstes unberücksichtigt lässt.
Unterschriften.
- 1 –
- Verfahrenssprache: Deutsch.