31970L0311

Richtlinie 70/311/EWG des Rates vom 8. Juni 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Lenkanlagen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern

Amtsblatt Nr. L 133 vom 18/06/1970 S. 0010 - 0013
Finnische Sonderausgabe: Kapitel 13 Band 1 S. 0139
Dänische Sonderausgabe: Reihe I Kapitel 1970(II) S. 0323
Schwedische Sonderausgabe: Kapitel 13 Band 1 S. 0139
Englische Sonderausgabe: Reihe I Kapitel 1970(II) S. 0375
Griechische Sonderausgabe: Kapitel 13 Band 1 S. 0093
Spanische Sonderausgabe: Kapitel 13 Band 1 S. 0221
Portugiesische Sonderausgabe: Kapitel 13 Band 1 S. 0221


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RICHTLINIE DES RATES

vom 8 . Juni 1970

zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Lenkanlagen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern

( 70/311/EWG )

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft , insbesondere auf Artikel 100 ,

auf Vorschlag der Kommission ,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments ( 1 ) ,

nach Stellungnahme des Wirtschafts - und Sozialausschusses ( 2 ) ,

in Erwägung nachstehender Gründe :

Die technischen Vorschriften , dennen die Kraftfahrzeuge nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften genügen müssen , betreffen unter anderem auch die Lenkanlagen .

Diese Vorschriften sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden ; hieraus ergibt sich die Notwendigkeit , daß von allen Mitgliedstaaten - entweder zusätzlich oder an Stelle ihrer derzeitigen Regelung - gleiche Vorschriften angenommen werden , damit von allem das EWG-Betriebserlaubnisverfahren gemäß der Richtlinie des Rates vom 6 . Februar 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger ( 3 ) , auf jeden Fahrzeugtyp angewandt werden kann -

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN :

Artikel 1

Als Fahrzeuge im Sinne dieser Richtlinie gelten - mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen , landwirtschaftlichen Zug - und Arbeitsmaschinen sowie anderen Arbeitsmaschinen - alle zur Teilnahme am Strassenverkehr bestimmten Kraftfahrzeuge mit oder ohne Aufbau , mit mindestens vier Rädern und einer bauartbedingten Hoechstgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h , sowie ihre Anhänger .

Artikel 2

Die Mitgliedstaaten dürfen die EWG-Betriebserlaubnis oder die Betriebserlaubnis mit nationaler Geltung für ein Fahrzeug nicht wegen der Lenkanlage verweigern , wenn diese den Vorschriften des Anhangs entspricht .

Artikel 3

Änderungen , die zur Anpassung der Vorschriften des Anhangs an den technischen Fortschritt notwendig sind , werden nach dem Verfahren des Artikels 13 der Richtlinie des Rates vom 6 . Februar 1970 über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger erlassen .

Artikel 4

( 1 ) Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Vorschriften in Kraft , um dieser Richtlinie binnen 18 Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen , und setzen die Kommission hiervon unverzueglich in Kenntnis .

( 2 ) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge , daß der Kommission der Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften übermittelt wird , die sie auf dem von dieser Richtlinie erfassten Gebiet erlassen .

Artikel 5

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet .

Geschehen zu Luxemburg am 8 . Juni 1970 .

Im Namen des Rates

Der Präsident

P . HARMEL

( 1 ) ABl . Nr . C 160 vom 18 . 12 . 1969 , S . 7 .

( 2 ) ABl . Nr . C 10 vom 27 . 1 . 1970 , S . 18 .

( 3 ) ABl . Nr . L 42 vom 23 . 2 . 1970 , S . 1 .

ANHANG

1 . BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

1.1 . Lenkanlage

" Lenkanlage " ist die gesamte Einrichtung , die dazu dient , eine Richtungsänderung des Fahrzeugs herbeizuführen .

Die Lenkanlage kann umfassen :

- die Betätigungseinrichtung ,

- die Übertragungseinrichtung ,

- die gelenkten Räder ,

- gegebenenfalls eine besondere Einrichtung zur Erzeugung der Hilfs - oder Fremdkraft .

1.1.1 . Betätigungseinrichtung

" Betätigungseinrichtung " ist der Teil der Lenkanlage , der zur Lenkung des Fahrzeugs vom Fahrzeugfuhrer unmittelbar betätigt wird .

1.1.2 . Übertragungseinrichtung

1.1.2.1 . Bei Kraftfahrzeugen ist die " Übertragungseinrichtung " der Teil der Lenkanlage , der zwischen der Betätigungseinrichtung und den gelenkten Rädern liegt , mit Ausnahme der besonderen Einrichtungen nach Punkt 1.1.4 . Die Übertragung kann mechanisch , hydraulisch , pneumatisch , elektrisch oder kombiniert sein .

1.1.2.2 . Bei Anhängern ist die " Übertragungseinrichtung " der Teil der Lenkanlage , der auf die gelenkten Räder die zur Richtungsänderung des Fahrzeugs erforderliche Kraft überträgt .

1.1.3 . Gelenkte Räder

" Gelenkte Räder " sind die Räder , deren Laufrichtung im Verhältnis zum Fahrzeug direkt oder indirekt geändert werden kann , um eine Richtungsänderung des Fahrzeugs zu bewirken .

1.1.4 . Besondere Einrichtungen

" Besondere Einrichtungen " sind der Teil der Lenkanlage , mit dem eine Hilfs - oder Fremdkraft erzeugt wird . Die Hilfs - oder die Fremdkraft kann mechanisch , hydraulisch , pneumatisch , elektrisch oder durch ein kombiniertes System erzeugt werden ( z . B . durch Druckölpumpen , Luftpresser oder Speicher ) .

1.2 . Verschiedene Arten von Lenkanlagen

1.2.1 . Nach Art der Erzeugung der Lenkkraft , die für die Richtungsänderung an den gelenkten Rädern nötig ist , wird zwischen folgenden Arten von Lenkanlagen unterschieden :

1.2.1.1 . Muskelkraft-Lenkanlage , bei der die Lenkkraft ausschließlich durch die Muskelkraft des Fahrzeugfürers aufgebracht wird ;

1.2.1.2 . Hilfskraft-Lenkanlage , bei der die Lenkkraft durch die Muskelkraft des Fahrzeugführers und von den besonderen Einrichtungen nach Punkt 1.1.4 aufgebracht wird ;

1.2.1.3 . Fremdkraft-Lenkanlage , bei der die Lenkkraft ausschließlich von den besonderen Einrichtungen nach Punkt 1.1.4 aufgebracht wird .

1.3 . Betätigungskraft

" Betätigungskraft " ist die vom Fahrzeugführer zum Lenken auf die Betätigungseinrichtung ausgeuebte Kraft .

2 . BAU - , MONTAGE - UND PRÜFVORSCHRIFTEN

2.1 . Allgemeine Vorschrift

2.1.1 . Die Lenkanlage muß ein leichtes und sicheres Lenken des Fahrzeugs gewährleisten ; sie ist , wenn nötig , mit einer Lenkhilfe zu versehen .

2.2 . Besondere Vorschriften

2.2.1 . Betätigungseinrichtung

2.2.1.1 . Die Betätigungseinrichtung muß handgerecht und griffig sein ; sie muß so beschaffen sein , daß ein abstufbares Lenken gewährleistet ist . Die Bewegungsrichtung der Betätigungseinrichtung muß eindeutig mit der beabsichtigten Richtungsänderung des Fahrzeugs übereinstimmen .

2.2.1.2 . Die Betätigungskraft darf beim Übergang von der Geradeausfahrt zum Lenkeinschlag , der zur Erzielung des Wendekreises von 12 m Halbmesser erforderlich ist , 25 kg nicht überschreiten . Bei Hilfskraft-Lenkanlagen darf bei Ausfall der Hilfskraft die erforderliche Betätigungskraft 60 kg nicht überschreiten .

2.2.1.3 . Zur Überprüfung der Vorschrift unter Punkt 2.2.1.2 ist das Fahrzeug aus der Geradeausfahrt mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h in eine Spirale zu fahren . Bis zu dem Augenblick , in dem die Lenkradstellung einem Wendekreis von 12 m Halbmesser entspricht , wird die Betätigungskraft am Lenkrad gemessen , die die vorgeschriebenen Werte nicht überschreiten darf . Die Zeit für das Wendemanöver ( d . h . die Zeit zwischen dem Beginn der Betätigung des Lenkrads und dem Augenblick des Erreichens der Meßstellung ) darf im Normalfall nicht mehr als 4 Sekunden und bei Ausfall der Lenkhilfe nicht mehr als 6 Sekunden betragen . Es sind ein Lenkeinschlag nach rechts und ein Lenkeinschlag nach links auszuführen .

Bei der Prüfung muß das Fahrzeug das technisch zulässige Hoechstgewicht , die vom Hersteller angegebene Verteilung dieses Hoechstgewichts auf die Achsen und den vorgeschriebenen Reifendruck haben .

2.2.2 . Übertragungseinrichtung

2.2.2.1 . Die Lenkbarkeit des Fahrzeugs muß erhalten bleiben , auch wenn die hydraulischen , pneumatischen oder elektrischen Teile der Übertragungseinrichtung ganz oder teilweise ausfallen .

2.2.2.2 . Mechanische Übertragungseinrichtungen müssen so bemessen sein , daß sie den im Betrieb auftretenden Beanspruchungen gewachsen sind . Sie müssen zur Wartung oder Überprüfung leicht zugänglich sein .

2.2.3 . Gelenkte Räder

2.2.3.1 . Die gelenkten Räder dürfen nicht ausschließlich die Hinterräder sein . Diese Vorschrift gilt nicht für Sattelanhänger .

2.2.3.2 . Kraftfahrzeuge , bei denen auch die Hinterräder gelenkte Räder sind , sind folgender Prüfung zu unterziehen :

2.2.3.2.1 . Sie müssen vom Fahrzeugführer ohne ungewöhnliche Lenkkorrektur mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h oder mit der bauartbedingten Hoechstgeschwindigkeit , wenn diese unter 80 km/h liegt , eine ebene , waagerechte Strecke in gerader Linie durchfahren können .

2.2.3.3 . Anhänger sind in folgenden Fällen ebenfalls der unter Punkt 2.2.3.2.1 vorgesehenen Prüfung bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h oder bei der vom Hersteller angegebenen technisch zulässigen Geschwindigkeit zu unterziehen :

- falls der Anhänger mehr als eine Achse mit gelenkten Rädern hat ,

- bei Sattelanhängern , falls der Anhänger mindestens eine Achse mit gelenkten Rädern hat .

2.2.4 . Besondere Einrichtungen

2.2.4.1 . Fremdkraft-Lenkanlagen sind nicht zulässig .

2.2.4.2 . Ist die Hilfskraft-Lenkanlage nicht mit einer eigenen Hilfskraftquelle versehen , so muß sie einen Energiespeicher haben . Wird als Energie Druckluft verwendet , so muß der Luftbehälter durch ein Überströmventil ohne Rückströmung abgesichert sein .

2.2.4.3 . Bei Ausfall der besonderen Einrichtung muß die Lenkbarkeit des Fahrzeugs erhalten bleiben .